Veranstaltung: | SPD Thüringen Landesparteitag 2023 |
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Tagesordnungspunkt: | 7. Antragsberatung und Beschlussfassung |
Antragsteller*in: | Jusos Thüringen und ASG Thüringen |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 24.10.2023, 14:15 |
G1: Long-Covid und ME/CFS den Kampf ansagen
Antragstext
Tagtäglich kämpfen Menschen nach einer Infektion mit einem Coronavirus mit den
Folgen dieser. So kommt es zu schweren Symptomen, die es den Betroffenen
teilweise unmöglich machen am Arbeits- und Sozialleben teilzunehmen. Oft werden
diese Beschwerden aber z.B. im Versorgungsamt oder durch den medizinischen
Dienst der Krankenkasse (MDK) verleugnet. Auch, dass Long Covid in einer
Verbindung zu einer weiteren Erkrankung, der Myalgischen Enzephalomyelitis/dem
Chronischen Fatigue-Syndrom (ME/CFS) steht, wird weitestgehend außer Acht
gelassen. Durch die unzureichende Forschung und die Unaufgeklärtheit der
Gesellschaft werden Betroffene mit ihren Sorgen und Beschwerden wie
Arbeitsunfähigkeit und den körperlichen Symptomen, wie allgemeine Schwäche,
kognitive Einschränkungen, Luftnot, usw., allein gelassen und verschwinden in
den sozialgesellschaftlichen Hintergrund.
Wir fordern,
• Mehr Anerkennung, sowohl des Long Covid-Syndroms, als auch der teilweise
damit in Verbindung stehenden ME/CFS. Bei letzterem auch dann, wenn sie
nicht im unmittelbaren Zusammenhang zu einer vorausgegangenen Covid-
Infektion, sondern als Diagnose nach anderen Infektionskrankheiten steht.
• Eine sachgemäße und realistische Einschätzung des Grades der Behinderung
(GdB) und/oder Vergabe eines Pflegegrades nach Diagnose und entsprechende
Förderung der betroffenen Personen.
• Einen größeren Fokus der Hausärzt:innen, sich auf chronische Krankheiten,
wie dem Long-Covid Syndrom und der ME/CFS zu spezialisieren und zu schulen
und damit die Entlastung der wenigen Long Covid Zentren, wie dem
Interdisziplinären Post-Covid-Zentrums in der Uniklinik Jena, in
Thüringen, zu gewährleisten. Außerdem eine Verbesserung der
Weiterbildungen und Schulungen für das gesamte medizinische Personal und
die damit verbundene erhöhte Aufklärung zum Long-Covid-Syndrom und dem
ME/CFS.
• Die finanzielle Förderung für das Long-Covid-Zentrum in der Uniklinik Jena
in Höhe von 10 Millionen Euro jährlich über die nächsten 10 Jahre.
• Die Aufklärung von Arbeitgeber:innen und die dahingehende Förderung des
beruflichen Weiterbestehens, durch z.B. Home-Office-Angebote, soweit dies
möglich ist, Umschulungen innerhalb des Betriebs, Teilzeitarbeit u.s.w.
für Arbeitnehmer:innen.
• Einen Nachteilsausgleich für Studierende, Auszubildende und Schüler:innen
und somit die Gewährleistung der Teilnahme an Unterricht, Vorlesungen etc.
um die bestmögliche Zielerreichung zu ermöglichen.
• Finanzielle Zuschüsse in Form eines Therapieforschungsfonds auf
Bundesebene in Höhe von 300 Millionen Euro für die Forschung zur
Weiterentwicklung der Therapien, die bereits positiv in Verbindung mit dem
Long-Covid/ME/CSF stehen, und des weiteren auch zur Forschung im Bereich
chronische Erkrankungen und deren Behandlungs- und Therapiemethoden und -
modellen. Außerdem zur besseren Ausdifferenzierung der, mittlerweile über
200 identifizierten Symptomen, im Zusammenhang mit einer vorausgegangenen
Covid- Erkrankung.
Begründung
Viele Menschen mit einem Long-Covid Syndrom und/oder auch einer ME/CFS haben zum Teil massive Beschwerden. Diese reichen von ständiger Abgeschlagenheit und Müdigkeit, über sensorische und motorische Störungen und teils schwere kognitive Einbußen, bis hin zu totaler Pflegebedürftigkeit und Bettlägerigkeit.
All jene Personen haben ein Recht auf finanzielle Unterstützung und der damit zusammenhängenden medizinischen und pflegerischen Versorgung. Dabei ist die Vergabe eines Grades der Behinderung und/oder eines Pflegegrades von großer Bedeutung. Voraussetzung dafür ist, dass die Erkrankung ernst genommen und nicht, wie so oft, verleugnet oder verharmlost wird. Die EM/CFS ist hierbei besonders schwer zu diagnostizieren, da sie meistens schleichend beginnt und sich nicht gleich durch spezifische Symptome äußert. Zu sagen ist außerdem, dass die Post-Covid Symptomatik der der ME/CFS sehr ähnelt, unter dem geltenden ICD-10 allerdings als verschiedene Codes gelistet werden. Während das Long-Covid Syndrom nicht als eigenständige Erkrankung gelistet ist, sondern als eine Reihe an kodierten Krankheitszuständen, die im Zusammenhang mit einer vorangegangenen Covid-Infektion stehen, werden die ME/CFS als neurologische Erkrankungen geführt. Diese Unterscheidung ist deshalb zu machen, weil die ME/CFS auch nach anderen Infektionskrankheiten auftreten kann. Nichtsdestotrotz oder grade deshalb muss dieser eine große Bedeutung beigemessen werden. Hier ist es besonders wichtig eine fachlich korrekte und professionelle Einschätzung und Untersuchung der Symptome vorzunehmen, um die richtige Diagnose stellen zu können und zu intervenieren.
Dafür braucht es medizinisches Personal, welches diese Symptomatik erkennen, und auch von anderen Erkrankungen unterscheiden, bzw. die richtige Diagnostik durchführen kann. Da es nur wenige Zentren gibt, die sich der Langzeitfolgen von Infektionskrankheiten annehmen und es, daraus folgend, auch nur wenig Therapieplätze gibt, die eine medizinische Grund- und Nachversorgung gewährleisten, ist es von größter Wichtigkeit auch die Hausärzt:innen und andere Fachärzte:innen (z.B. Lungenfachärzt:innen) zu schulen, um das frühzeitige Erkennen und Handeln zu gewährleisten. Denn die Hausärzte:innen sind meist die erste Anlaufstelle für Patient:innen und können so die Kliniken und Zentren, die sich mit dieser Thematik auseinandersetzten, entlasten.
Trotzdem reicht auch hier das Angebot an Hausärztinnen nicht aus und es ist von großer Bedeutung eben jenes Zentrum in Thüringen, die Uniklinik Jena, finanziell zu fördern. Eine Förderung in Höhe von 10 Millionen Euro im Jahr und das über 10 Jahre würde der deutlichen Verbesserung der medizinischen Versorgung und einer entsprechenden Vergrößerung und Handhabe dienen und dazu führen, dass Termine wieder vergeben werden können. Es kann nicht sein, dass die Therapieplätze im Jahr 2023 gänzlich ausgebucht sind und Menschen nicht mehr die Möglichkeit haben, eine spezialisierte Therapie zu erhalten. Dahingehend ist auch hier zu sehen, wie wichtig die Weiterbildung in Bezug auf dieses Thema ist.
Personen mit dem Long-Covid Syndrom oder der ME/CFS haben oft Schwierigkeiten oder nicht die Möglichkeit sich wieder in ihren normalen beruflichen Alltag zu integrieren. Daher ist es von Nöten auch die Arbeitgeber:innen über Symptomatiken und die damit in Verbindung stehende Problematik, die im beruflichen Alltag auftreten könnten, aufzuklären und sie zu sensibilisieren. Arbeitgeber:innen sollten in besten Fall einen Verleib im Betrieb gewährleisten. Dies könnte in Form von Home-Office Angeboten, sofern möglich, aber auch in Umschulungen, flexible Arbeitszeiten oder Teilzeitarbeit ermöglicht werden. Diese Maßnahmen verringern außerdem auch den psychischen Druck der Betroffenen, denn nicht selten kommt es bei diesen Erkrankungen auch zu Depressionen in Folge der Geschehnisse.
Nicht mehr belastbar zu sein, kognitiv-neurologische Ausfälle zu haben, Dinge zu vergessen oder sich nicht mehr so gut merken zu können, das Gefühl haben ständig unkonzentriert zu sein. All das sind Probleme die nicht nur Arbeitnehmer:innen, sondern insbesondere auch Studierende, Auszubildende und Schüler:innen mit einem Long-Covid-Syndrom haben. Eine einheitliche Regelung, wie einen Nachteilsausgleich, zur Entlastung, gibt es jedoch nicht. Diese Personen sind auf die Kulanz der Lehrkräfte angewiesen. Oft trifft jedoch auch hier besagte Langzeitfolge statt auf Mitgefühl und Verständnis, auf Unverständnis oder wird schlichtweg übersehen. Das führte und führt dazu, dass Student:innen den Anschluss an ihre Kommilitone:innen verlieren und damit auch die Aussicht auf ein erfolgreichen Studienabschluss. Genauso ergeht es Schüler:innen in Schulen und auch Auszubildenden in Berufsschulen. Viele der Betroffenen bangen derzeit um eben jenen Schul- oder Berufsabschluss und haben keine Möglichkeit einen Nachteilsausgleich zu erlangen. Das muss sich ändern, und zwar jetzt! Denn grade junge Menschen sind die Säule der Gesellschaft und müssen eine Zukunft haben!
Ein weiterer Punkt, den wir ansprechen, ist die Forschung. Noch immer wird im Allgemeinen sehr sperrig und langsam an chronischen Erkrankungen geforscht. So investierte die Das mag zum einen daran liegen, dass die Symptomatiken bei vielen chronischen Krankheiten vielfältig und oft auch genauso vielfältig behandelbar sind, zum anderen aber auch, weil dahingehend viel zu wenig in die Forschung investiert wird. Warum sollte aber grade Long-Covid und ME/CFS ein besonderes Augenmerk in der Forschung zugutekommen?
ME/CFS hat, von den vielen häufig auftretenden chronischen Krankheiten bzw. Folgeschäden aufgrund einer Grunderkrankung (hier im Vergleich zu Schlaganfall-, Herzinsuffizienz- oder Krebspatienten) die niedrigsten Werte des „Health-related quality of life (HRQOL) (nach Hvidberg et al. 2015), das heißt die niedrigste Lebensqualität überhaupt. Deshalb muss dafür gesorgt werden, dass es endlich angemessene, standardisierte Behandlungsmethoden und -modell gibt. Dies wird aber nur möglich sein, wenn jetzt ordentlich in die Forschung investiert wird. Dafür fordern wir einen Zuschuss von 300 Millionen Euro.
Long-Covid und ME/CFS, sind solche Folgeschädigungen, die nicht immer auf den ersten Blick erkennbar sind, solche, denen man das Potenzial ihrer Zerstörung manchmal zu wenig Bedeutung beimisst, sei es physischer oder psychischer Art. Aber sie sind da! Sie sind allgegenwärtig. Also sagen wir Long-Covid und ME/CSF den Kampf an. So kann und darf der Umgang mit diesen bedeutenden Folgen dieser Pandemie nicht weiter gehen! Wir müssen handeln, und zwar jetzt!
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Robert Büssow:
Robert Büssow: