Veranstaltung: | SPD Thüringen Landesparteitag 2023 |
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Tagesordnungspunkt: | 7. Antragsberatung und Beschlussfassung |
Antragsteller*in: | SPD-Ortsverein Henneberg-Rhön-Grabfeld |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 24.10.2023, 13:57 |
E1: Die Dritte Phase der Entspannungspolitik: Gemeinsame Sicherheit und Nachhaltigkeit
Antragstext
Der Landesparteitag möge beschließen:
Die SPD Thüringen setzt sich gegenüber der SPD als Bundespartei und gegenüber
der Bundesregierung für die im folgenden Antrag beschriebene Außen- und
Sicherheitspolitik ein.
I.EINJAHRZEHNT DER EXTREME
„In diesem Jahrhundert steht die Selbstbehauptung der europäischen Zivilisation
auf dem Spiel.“
Helmut Schmidt
Zeit der Zuspitzungen
- Die Umbrüche und Krisen unserer Zeit lassen befürchten, dass wir in das
gefährlichste Jahrzehnt seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges eingetreten
sind. Wir müssen alles tun, dass es nicht ähnlich dramatisch endet. Denn
die Summe und Parallelität der Herausforderungen sind dramatisch. Schon
heute lässt sich sagen: Wir erleben ein Jahrzehnt der Extreme, das mit der
weltweiten Pandemie begann, in dem unter dem Atomschirm Russlands der
Ukraine-Krieg die Welt in einen großen Krieg zu stürzen droht, in dem die
Klimakrise mit großer Wucht verschärft und in dem sich Hunger, Armut und
Migration immer weiter ausbreiten.Vor diesem Hintergrund droht auch ein
Weltordnungskrieg zwischen Nord und Süd, zwischen Arm und Reich, zwischen
den westlichen Industriestaaten und den aufstrebenden Schwellenländern.
Weltweit nehmen die Rüstungsausgaben zu, wobei davon rund 75 Prozent auf
nur zehn Länder entfallen. Deutschland liegt auf Platz 7.Demgegenüber
scheint das Verständnis verloren gegangen zu sein, dass die existenziellen
Bedrohungen unserer Zeit nur die Menschheit zusammen lösen kann. Weltweit
nehmen nationalistische Bewegungen mit einer hegemonialen Ideologie zu,
die sich den globalen und ökologischen Herausforderungen verweigern. Umso
wichtiger ist eine starke sozialdemokratische Bewegung für Frieden und
Entspannung, für Rüstungskontrolle und Abrüstung, für die soziale und
ökologische Gestaltung der Transformation von Wirtschaft und
Gesellschaft.
- Mit der Globalisierung der Gefahren und Herausforderungen ist die
Menschheit in ein Zeitalter eingetreten, das ein neues Denken für
gemeinsame Sicherheit und globale Zusammenarbeit erfordert. Wer Frieden
will, der muss gemeinsam Frieden schaffen. Wer ein gutes Leben will, muss
überall für soziale und ökologische Reformen eintreten. Aber auch aus der
Verunsicherung über die Tragweite der vor uns liegenden Veränderungen,
ist das praktische Verhalten geprägt von Ignoranz, Angst und
Verunsicherung. Nationalismus und Reformfeindlichkeit nehmen zu. Die
Sozialdemokratie muss hingegen in dieser Zeit tiefgreifender Umbrüche
soziale und demokratische Errungenschaften bewahren und Sicherheit,
Nachhaltigkeit und neuen Fortschritt gemeinsam und solidarisch
verwirklichen.
Verantwortung für Sicherheit, Frieden und Nachhaltigkeit
- Der Angriffskrieg auf die Ukraine ist ein tiefer Einschnitt. Er verletzt
das Völkerrecht und missachtet die territoriale Unabhängigkeit eines
souveränen Landes, das ein Recht auf Selbstverteidigung hat. Das war auch
im Irak-Krieg von 2003 so, als erfundene Beweise den „Krieg der Willigen“
begründeten, dem sich damals Bundeskanzler Gerhard Schröder zu Recht
verweigert hat.Das Wichtigste im Krieg ist, Frieden zu schaffen, zumal der
Krieg in der Ukraine zu einem blutigen Stellungskrieg geworden ist. Die
Schlacht um Bachmut ist das Verdun unserer Zeit. Der Krieg bringt jeden
Tag mehr Elend, Zerstörung und Tod. Und jeden Tag wächst die Gefahr einer
weiteren Eskalation und Ausweitung. Unsere Zeit verlangt uns, vor allem
der Sozialdemokratie, viel ab. Sie darf sich nicht von ihrer Geschichte
als Friedens- und Reformpartei lossagen, sondern muss sich gerade in
diesem Geist neu bewähren. Die historische Erfahrung zwingt uns,
Verantwortung für eine Politik des Friedens zu übernehmen. Wir leben in
einer Zeit, in der es auf eine starke Sozialdemokratie ankommt, deren
geschichtlicher Kompass Demokratie, Gerechtigkeit und Frieden ist – nach
innen wie nach außen.
- Wir können es uns nicht leisten, Frieden ausschließlich als Nicht-Krieg zu
definieren. Angesichts neuer globaler Gefahren wie der Klimakrise mit
ihren gefürchteten Kipppunkten, die den Prozess der Erderwärmung
beschleunigen und auf lange Zeit unumkehrbar machen, dem Kampf um knappe
Ressourcen, der massive Verteilungskonflikte verursachen kann, oder der
wachsenden Armut und dem Hunger, die viele Menschen zur Flucht bewegen,
ist jeder Frieden gefährdet, der nicht schnell zu einer sozial und
ökologisch gerechten Weltordnung führt.Im Hamburger Grundsatzprogramm der
SPD heißt es dazu: „Dieses Jahrhundert wird entweder ein Jahrhundert des
sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Fortschritts, der allen
Menschen mehr Wohlfahrt, Gerechtigkeit und Demokratie eröffnet. Oder es
wird ein Jahrhundert erbitterter Verteilungskämpfe und entfesselter
Gewalt.“
- An dieser Wegscheide muss es zu einer neuen Friedens- und
Entspannungspolitik kommen, zu mehr gemeinsamer Sicherheit und
gemeinsamer Verantwortung. Dazu bekennen wir uns. Wir brauchen ein
friedliches und faires Zusammenleben der Menschheit. Deshalb ist
„Zusammenarbeit“ das Schlüsselwort unseres Jahrhunderts. Krieg darf kein
Mittel der Politik sein.
II.SOZIALDEMOKRATISCHE FRIEDENS- UND ENTSPANNUNGSPOLITIK
„Es haben viele Nationen miteinander gekämpft, aber geflossen ist nur einerlei
Blut: das Blut der Bürger Europas“
Carl von Ossietzky
Am Anfang: Die Kuba-Krise
- Die Anfänge der Entspannungspolitik gehen zurück auf den Oktober 1962.
Damals stand die Welt am Rande eines Atomkrieges, als die damalige UdSSR
auf Kuba Mittelstreckenraketen und Atomsprengköpfe zu stationieren begann.
Während die amerikanischen Militärs zu einer sofortigen Invasion und zu
Luftangriffen auf die karibische Insel drängten, suchte US-Präsident John
F. Kennedy den Kontakt mit dem Generalsekretär der KPdSU Nikita
Chruschtschow. Im Ergebnis zogen beide Seiten ihre Mittelstreckenraketen
aus dem gegnerischen Einzugsbereich zurück, die UdSSR aus Kuba, die USA
aus Italien und der Türkei, die dort seit 1959 stationiert waren.Die Kuba-
Krise führte zu ersten Verhandlungen über Rüstungskontrolle und
Rüstungsbegrenzung, auch zur Einrichtung des „roten Telefons“ für eine
schnelle Verständigung zwischen Moskau und Washington. Seitdem hat in den
USA nur der Präsident die Befehlsgewalt über den Einsatz von Atombomben.
Aus der Kuba-Krise und auch aus den Erfahrungen um die „Frontstadt“ Berlin
lernten Moskau und Washington, Konflikte zwischen den beiden militärischen
Supermächten zu beherrschen. Die wichtigste Einsicht hieß, dass die
Entspannungspolitik ein wichtiges Mittel gegen die Spirale aus Aufrüstung
und Konfrontation ist. Sie begründet auch heute unser Verständnis von
Vernunft.
Friedenspolitik als Realpolitik
- Den Anstoß für die Ausrichtung der Sicherheitspolitik auf Entspannung gab
1963 John F. Kennedy mit seinen Schlussfolgerungen aus der Kuba-Krise. Er
begründete seine „Strategy for Peace“ in einer Rede in New York: „Beide
Seiten, die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten sowie die Sowjetunion
und ihre Verbündeten, haben ein gemeinsames Interesse an einem gerechten
und wirklichen Frieden und an einer Einstellung des Wettrüstens.
Abkommen, die zu diesem Ziel führen, sind im Interesse der Sowjetunion wie
auch in unserem Interesse.“
- In dieser Einsicht entwickelte die SPD die europäische Friedens- und
Entspannungspolitik, deren Grundlagen, Prinzipien und Ziele Willy Brandt
und Egon Bahr erstmals vor 60 Jahren in der Politischen Akademie in
Tutzing vorstellten. Sie waren überzeugt davon, dass es falsch wäre, das
politische System Osteuropas von außen zu stürzen. Ihnen ging es um einen
Prozess der Vertrauensbildung und der friedlichen Koexistenz, um zu
menschlichen Erleichterungen und neuen Annäherungen zu kommen. Die
Grundidee hieß „Wandel durch Annäherung“. Friedliche Koexistenz darf
weder Furcht noch Vertrauensseligkeit kennen. Unter der Drohung einer
Selbstvernichtung im Atomzeitalter ganzer Staaten, wenn nicht sogar der
Menschheit insgesamt ist die aktive Politik der Koexistenz zwischen den
beiden Blöcken zu einer Frage menschlicher Existenz überhaupt geworden.
Krieg ist nicht die Ultima Ratio, sondern – wie Willy Brandt anlässlich
der Verleihung des Friedensnobelpreises 1971 feststellte – die Ultima
Irratio: nicht das letzte Mittel der Vernunft, sondern ein Mittel
äußerster Unvernunft. Nur Friedenspolitik, so die Schlussfolgerung, kann
die wahre Realpolitik sein.
Die bipolare Weltordnung nach dem Zweiten Weltkrieg
- Nach dem Zweiten Weltkrieg war eine bipolare Ordnung entstanden, in der
beide Seiten wechselseitig zugestandene Einflusssphären hatten, wodurch
aus dem Kalten Krieg kein heißer wurde. 1949 wurde die NATO mit dem Ziel
gegründet, die Elbe zur Ostgrenze des sowjetischen Machtbereichs zu
machen. In der Folge bildete sich 1955 die Warschauer
Vertragsstaatenorganisation für ein Militärbündnis unter der Führung der
UdSSR. Militärische Interventionen der USA in Lateinamerika oder der
Vietnam-Krieg stießen auf Kritik und Ablehnung in Moskau, führten jedoch
nicht zu einer unmittelbaren kriegerischen Reaktion. Umgekehrt verurteilte
Washington die militärische Niederschlagung von Aufständen in der DDR, in
Ungarn, in der Tschechoslowakei oder in Polen, verzichtete aber auf
militärische Gegenmaßnahmen. Diese Zurückhaltung verlangten sich beide
Blöcke gegenseitig ab, um einen Einsatz von Atomwaffen zu verhindern.
- Unter den Bedingungen der geteilten Welt standen sich in Deutschland zwei
Teilstaaten unmittelbar gegenüber. Sie gehörten unterschiedlichen Blöcken,
Systemen und Ideologien an. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung in der DDR
über ihre Lebensverhältnisse und die unterdrückte Demokratie führten zu
einer wachsenden Abwanderungswelle. Die SED-Führung stoppte sie am 13.
August 1961 mit dem Bau der Berliner Mauer. Der Konflikt zwischen Ost und
West verschärfte sich immer wieder in Berlin. Umso wichtiger wurde die
sozialdemokratische Entspannungspolitik, die zugleich über Deutschland
hinausging.
Erste Phase der sozialdemokratischen Entspannungspolitik
- Unter diesen Bedingungen hatte die Entspannungspolitik der SPD das Ziel,
zu einer Entschärfung der Konflikte vor allem in Deutschland und Europa zu
kommen sowie den Spielraum für Vertrauensbildung und menschliche
Erleichterungen zu erweitern. Es begann mit Bemühungen und Verträgen auf
staatlicher Ebene. Der erste Schritt war das Berliner
„Passierscheinabkommen“ von 1963. Kleine Schritte waren besser als keine.
Die Ost- und Entspannungspolitik war ein mühsamer, aber richtiger Prozess.
Diese Politik war die erste Stufe der Entspannungspolitik, die mit
Zustimmung der westlichen Verbündeten möglich wurde und die Westbindung
der Bundesrepublik nicht in Frage stellte.
- Die Entspannungspolitik verbesserte die Beziehungen zwischen der
Bundesrepublik und der DDR. Mit dem Konzept von Wandel durch Annäherung
sollte auch die Idee der deutsch-deutschen Gemeinsamkeit am Leben erhalten
werden. Im Mittelpunkt standen die internationale Friedenssicherung,
Gewaltverzicht und menschliche Erleichterungen. Willy Brandt im Januar
1967: „Es geht um den Ausgleich gegensätzlicher Ziele und Interessen“ mit
dem Ziel, die Grundlagen „für eine dauerhafte europäische Friedensordnung“
zu schaffen. „Die Probleme Europas wie die Probleme Deutschlands lassen
sich nicht in einem Klima des Kalten Krieges regeln. Wir streben deshalb
eine umfassende Verbesserung unserer Beziehungen zu allen osteuropäischen
Staaten an.“
Gewaltverzicht und Normalisierung der Beziehungen
- Mit den Ostverträgen wurde die deutsche Zweistaatlichkeit staatsrechtlich,
aber nicht völkerrechtlich anerkannt. Die Ostpolitik ermöglichte trotz des
Kalten Krieges eine Entspannung der Beziehungen im Kalten Krieg. Der
Moskauer Vertrag war im August 1970 die erste Station der neuen Ostpolitik
der sozialliberalen Regierungen. Es begann eine Entwicklung, die in Europa
tiefgreifende Verbesserungen möglich machte. Der Warschauer Vertrag
erkannte die Oder-Neiße-Linie als polnische Westgrenze an. Das
Viermächte-Abkommen über Berlin von 1971 sicherte den freien Zugang zum
Westteil der Stadt. Und der Grundlagenvertrag mit der DDR vom Dezember
1972 strebte „gutnachbarschaftliche Beziehungen“ an, später flankiert von
einem Transitabkommen und Verkehrsvertrag. Der Prager-Vertrag von 1973
über die Nichtigkeit des Münchner Abkommens war der letzte in der Reihe
der Ostverträge. Es wurden auch zur Voraussetzung für die zweite Phase der
Entspannungspolitik.
Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE)
- Im August 1975 erhielt der Entspannungsprozess mit der Konferenz für
Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in Helsinki einen
europäischen Rahmen. In der Zeit der Spaltung Europas durch tiefgehende
ideologische Konflikte, der Systemkonkurrenz und einer einmaligen
militärischen Konfrontation verständigten sich die Staats- und
Regierungschefs von 35 Staaten, darunter die UdSSR, USA und Kanada, auf
die Regeln des künftigen Zusammenlebens. Das bedeutete die Einbettung der
deutschen Sicherheit in die europäische. Das war ein großer Schritt hin zu
einem friedlichen Europa. Erstmals einigten sich West und Ost auf
gemeinsame Prinzipien und Ziele ihrer Innen- und Außenpolitik. Die
Schlussakte von Helsinki war nicht die Besiegelung der Teilung Europas
und Deutschlands, sondern der Ausgangspunkt für einen friedlichen
Veränderungsprozess in ganz Europa. Die Bürgerrechtsbewegungen verfügten
nun über eine Berufungsgrundlage für ihre Ziele. Die „Macht der
Machtlosen“, wie Vaclav Havel es beschrieb, wurde gestärkt.
- Die Mitgliedsstaaten der aus der KSZE hervorgegangenen OSZE waren sich
bewusst, dass eine Abrüstungs- und Entspannungspolitik notwendig, aber sie
vor neue Anstrengungen stellte. Das galt für den Nichtverbreitungsvertrag
von Atomwaffen mit der Verpflichtung zur nuklearen Abrüstung, für START II
und für den ABM-Vertrag. Der Einsicht in die Abgründe eines globalen
Krieges, der zu einer Selbstvernichtung der Menschheit führen kann,
folgten nicht nur Initiativen zur Rüstungskontrolle und Abrüstung, sondern
auch die Erkenntnis, dass Probleme globalen Ausmaßes die Menschheit
bedrängen, die ebenfalls nur gemeinsam gelöst werden können: Hunger,
Klimakrise, Bevölkerungsentwicklung, Ressourcenverknappung.
- Das sind heute, wahrscheinlich mehr denn je Grundfragen für die Zukunft
der Menschheit. Mehr noch: Es ist die essentielle Frage, ob die Menschheit
angesichts der sozialen und ökologischen Bedrohungen, die die Grenzen
jedes Staates überschreiten, überhaupt eine Zukunft hat. Die Welt braucht
Zusammenarbeit und Verständigung, um die globalen Gefahren zu bewältigen.
Deshalb kam es in den 1980er Jahren auf Anregung von Willy Brandt zur
Einsetzung von drei Unabhängigen Kommissionen bei den Vereinten Nationen,
die aufzeigen sollten, wie in zentralen Menschheits- und Zukunftsfragen
eine friedliche Weltinnenpolitik aussehen kann und was für sie notwendig
ist.
Gemeinsame Interessen, gemeinsame Sicherheit, gemeinsame Zukunft
- Der Geist der KSZE prägte in den 1980er Jahren die Berichte der drei
unabhängigen UN-Kommissionen:
- 1980 wurde der Nord-Süd-Bericht „Das Überleben sichern. Gemeinsame
Interessen der Industrie- und Entwicklungsländer“ unter der Leitung von
Willy Brandt vorgelegt, der den Zusammenhang von Aufrüstung und Armut
aufzeigte und eine neue Weltwirtschaftsordnung für eine friedliche Welt
forderte.
- 1982 folgte der Report „Gemeinsame Sicherheit“, der unter der Leitung des
schwedischen Regierungschefs Olof Palme erstellt wurde und dessen
Kernsatz hieß: „Beide Seiten müssen Sicherheit erlangen, nicht vor dem
Gegner, sondern gemeinsam mit ihm“.
- 1987 kam schließlich der Bericht „Unsere gemeinsame Zukunft“ hinzu, der
von der norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland
verantwortet wurde. Er brachte die Leitidee der Nachhaltigkeit für die
Verbindung von Umwelt und Entwicklung auf die Agenda der internationalen
Politik.
Diese drei Berichte müssen als Einheit verstanden werden. Sie waren weit in die
Zukunft gerichtet und sind auch heute nicht überholt, im Gegenteil. Der
Schlüsselbegriff der Berichte heißt „Gemeinsamkeit“. Die Berichte wurden in der
Verantwortung von drei europäischen Sozialdemokrat:innen erarbeitet. Sie bilden
noch immer eine zentrale Grundlage für eine Weltinnenpolitik und eine friedliche
Welt. Es gibt keinen Grund, diese großen Ideen zu relativieren.
- Die drei Reports führten nicht zuletzt zum Erdgipfel von 1992 in Rio de
Janeiro, auf dem die Agenda 21, Nachhaltigkeit und das UN-
Klimarahmenabkommen beschlossen wurden. Es war der erste UN-Gipfel, der
sich auch mit den Fragen des Klimaschutzes beschäftigte und die Forderung
erhob, die Konzentration der Treibhausgase schnell und umfänglich zu
senken. Doch bis heute klafft eine gefährliche Lücke zwischen den Vorgaben
und der Realität. Große Teile der Welt sind abgehängt, die Militärausgaben
haben im letzten Jahr eine Rekordhöhe erreicht, die CO2-Emissionen haben
sich seit der Rio-Konferenz verdoppelt.
- Gemeinsam Probleme zu lösen setzt voraus, Vertrauen sowohl durch
Kooperation zwischen den Staaten als auch den Zivilgesellschaften zu
schaffen. Doch nach Rio verlor die Weltinnenpolitik für mehr soziale
Gerechtigkeit, ökologische Verträglichkeit und ein friedliches
Zusammenleben an Bedeutung. Das Ende der zweigeteilten Welt hat die
Bereitschaft gemindert, sich auf Verständigung und Zusammenarbeit
einzulassen. Zudem breitete sich ein neuer und alter Nationalismus aus,
in Ost und West.
Das „gemeinsame Haus Europa“
- Dabei waren in den 1980er Jahren die Chancen für eine Friedenspolitik
größer denn je. Mitte des Jahrzehnts war offenkundig geworden, dass es in
der UdSSR zu großen Veränderungen kommen könnte, nicht zuletzt angestoßen
durch die deutsche Ost- und Entspannungspolitik. Besonders hervorzuheben
ist dabei die Rolle des neuen Generalsekretärs der KPdSU Michail
Gorbatschow.
Gorbatschow war von der Idee der Gemeinsamen Sicherheit angetan. Er suchte den
engen Kontakt zu Egon Bahr. Gorbatschow war überzeugt von Perestroika und
Glasnost, von Kooperation statt Konfrontation. Tatsächlich wollte er und sein
Außenminister Eduard Schewardnadse, dass die OSZE für die europäische Sicherheit
eine zentrale Rolle einnimmt. Mit der Absage an Konfrontation und Hochrüstung
sollte eine neue Kultur des Zusammenlebens im Gemeinsamen Haus Europa geschaffen
werden.
- Brandt gefiel das Bild vom „Gemeinsamen Haus Europa“. Es sei an der Zeit,
in kontinentalen Zusammenhängen zu denken. Über das Zusammenleben im
europäischen Haus, um dessen Verfügungsgewalt sich die beiden Weltmächte
in der zweigeteilten Welt massiv gestritten haben, müssten nun die
Menschen bestimmen, „die darin wohnen, darin aufgewachsen und auch davon
abhängig sind“.
Der langjährige deutsche Außenminister Hans Dietrich Genscher stellte im Jahr
2000 vor der OSZE-Konferenz fest: „Die Antwort auf die Herausforderungen der
Globalisierung muss heißen: gesamteuropäische Verantwortungspolitik und globale
Kooperation, nicht Rückfall in die nationalistischen Irrwege des 19. und der
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.“ Und er mahnte: „Die Geschichte pflegt ihre
Angebote nicht zu wiederholen und die Chancen, die sie uns bietet, bestehen
nicht ewig.“
Die Bedeutung der Friedens- und Entspannungspolitik
- Dieser Rückblick ist wichtig für das, was heute geschieht. Wenn von einer
„Zeitenwende“ gesprochen wird, die allein am Ukraine-Krieg festgemacht
wird, ist das zumindest verkürzt. Auch die Vorgeschichte der europäischen
Friedens- und Entspannungspolitik muss gesehen werden, an der
Sozialdemokrat:innen an vorderster Stelle beteiligt waren. Ebenso müssen
die Versäumnisse und Fehler beachtet werden, die in den letzten
Jahrzehnten gemacht wurden.
- Ohne die Friedens- und Entspannungspolitik wäre es nicht möglich geworden,
dass die Menschen in der früheren DDR letztlich die Kraft zu ihren
Montagsdemonstrationen gefunden haben. Ohne sie wäre es nicht zu ersten
Schritten in der Abrüstung und Rüstungskontrolle gekommen. Ohne sie wäre
nicht die Hoffnung auf ein geeintes Europa gewachsen. Wir haben nicht
vergessen, dass die Politik der sozialliberalen Koalition auf den massiven
Widerstand der damaligen Opposition gestoßen ist.
Verpasste Chancen einer gesamteuropäischen Sicherheitsarchitektur
- Nach dem historischen Jahr 1989 wurden die großen Chancen für eine
europäische Sicherheitsarchitektur nicht oder nur unzureichend genutzt
wurden. Bei den Versäumnissen dürfen wir nicht verdrängen, dass es zur
deutschen Einheit gekommen ist, ohne dass der heiße Krieg zurückkam. Die
russische Armee ist ohne Zeitverzögerung aus Deutschland abgezogen.
Michail Gorbatschows Politik der ausgestreckten Hand ermöglichte das Ende
der zweigeteilten Welt. Die Chancen waren da, auch weit darüber hinaus zu
einer neuen gesamteuropäischen Verständigung zu kommen. Nicht durch eine
Abkehr von der Friedens- und Entspannungspolitik, sondern durch ihre
Weiterentwicklung.
- Die Voraussetzungen für eine weitergehende Zeitenwende waren in den 1990er
Jahren da, aber sie wurden zu wenig genutzt. Dazu gehörte insbesondere die
Charta von Paris für ein neues Haus Europa, deren Visionen nicht
eingelöst, wahrscheinlich aber von den USA auch nicht gewollt wurden.
Heute müssen wir die Ziele und Prinzipien der Friedens- und
Entspannungspolitik wieder aufnehmen und weiterentwickeln. Ein Zurück in
einen neuen kalten Krieg darf es nicht geben. Willy Brandt vertrat für die
2. Phase der Entspannungspolitik die Idee einer „Europäisierung Europas“,
also einer Politik für den gesamten Kontinent. Das bedeutete nicht die
Aufgabe des Westbündnisses, wohl aber eine größere Eigenständigkeit
Europas, worin auch ein Weg zur endgültigen Überwindung der
Blockideologie gesehen wurde.
- Es gab keine große Linie mehr für eine gesamteuropäische Identität und
eine Politik der europäischen Selbstbehauptung in der globalen Welt. Der
Westen hatte den Systemkonflikt „gewonnen“, aber eine neue
Sicherheitsarchitektur gab es nicht. Es überwogen Misstrauen, Angst und
Abgrenzung. Obwohl russisches Gas und Öl willkommen waren, kam es nicht
zu mehr Verständigung und Kooperation mit dem in den 1990er Jahren schwer
angeschlagenen Russland. In den USA wurde Russland, das größte und
ressourcenreichste Land der Erde nur noch als „Regionalmacht“
runtergestuft. Gorbatschow äußerte sich mehrfach enttäuscht, dass die
Versprechen von Helmut Kohl, Hans Dietrich Genscher und James Baker, die
mit Zustimmung des britischen und französischen Außenministers an Moskau
insbesondere hinsichtlich der NATO-Osterweiterungen gemacht wurden, nicht
eingehalten wurden.
- Aber auch die Idee einer Weltinnenpolitik wurde auf die Tagesordnung
gesetzt. Die Vorgabe des Erdgipfels von 1992 für mehr Klimaschutz wurde
nicht verfolgt. Der Kyoto-Prozesses wurde zu einem unverantwortlichen
Gefeilsche um wirtschaftliche Wachstumsinteressen auf der jährlichen
Conference of Parties (COP). Zwar hatten Bundestag und Bundesregierung
1990 das weltweit erste Reduktionsszenario mit deutlich weitergehenden
Zielen als die Kyoto-Vorgaben für die klimaschädlichen Treibhausgase
beschlossen, aber die Umsetzung blieb mangelhaft. Das Konzept wurde
schnell wieder aufgegeben.
III. DER UKRAINE-KRIEG
„Krieg hat keine Grenzen in sich.“
Carl von Clausewitz
Zerstörtes Vertrauen statt gemeinsamer Sicherheit
- Die Konflikte, die sich schrecklicherweise zum völkerrechtswidrigen
Ukraine-Krieg geführt haben, entstanden über eine längere Zeit. Zu den
Ursachen gehören historische Belastungen, nationale Konflikte und
internationales Dominanzstreben. In der sich nach 1990 neuformierenden
Weltordnung spielten anfangs auch ökonomische Ungleichheiten und die
politischen Fehler der Amtszeit von Boris Jelzin eine erhebliche Rolle,
der kein Konzept für Reformen in der UdSSR, bzw. Russland und den GUS-
Staaten hatte, sondern einen „kalten Kapitalismus“ verordnete, sowie das
schleichende Ende der Abrüstungs- und Rüstungskontrollpolitik. Wladimir
Putin wollte dennoch nach seiner Wahl im Jahr 2000 anfangs den Bau des
„Gemeinsamen Hauses Europas“ fortsetzen und setzte dabei insbesondere auf
Deutschland. Im letzten Jahrzehnt veränderte er seine Politik grundlegend.
Er schaltete auf einen zunehmend nationalistischen Kurs um, der an alte
panslawistische Traditionen des Zarenreichs anknüpfte.
- Moskau sah seine Sicherheitsinteressen bedroht durch die fünf NATO-
Osterweiterungen bis an die Türschwelle Russlands, bei denen auch
bestehende Verträge, wie der KSE-Vertrag (Vertrag über konventionelle
Streitkräfte in Europa), nicht eingehalten wurden. 2008 setzte US-
Präsident George W. Bush in Bukarest das Erweiterungsangebot der NATO an
die Ukraine, Moldau und Georgien gegen die Bedenken der deutschen
Bundeskanzlerin und des französischen Staatschefs und selbst eigener
amerikanischer Sicherheitsberaterin durch. 2014 eskalierte der Konflikt in
der Ukraine. Nach dem auf Druck Moskaus von der ukrainischen Regierung
blockierten EU-Assoziierungsabkommen kam es zu den ersten Protesten im
Dezember 2013 auf dem Kiewer Maidan-Platz, die im darauffolgenden Jahr
eskalierten. Die daraufhin ausgehandelten Minsker Verträge wurden nicht
eingehalten, so dass es nicht zu einer Befriedung im Land kam. Im
Gegenteil: Im Donbas kam es mit massiver russischer Unterstützung zum
Bürgerkrieg. Die Halbinsel Krim wurde von Russland annektiert. Die USA
lieferten der Ukraine seit 2014 Waffen in einem erheblichen Umfang.
- Die Chancen für eine kooperative europäische Sicherheitsarchitektur wurden
nicht genutzt. Mühsam aufgebautes Vertrauen wieder zerstört. Der INF-
Vertrag über das Verbot landgestützter Raketensysteme zwischen 500 und
5.500 Kilometer-Reichweite wurde aufgekündigt, Rüstungskontrolle findet
derzeit kaum noch statt, Abrüstung schon gar nicht.
Verstärkte Aufrüstung: militärisch-basierte Außenpolitik
Die weltweiten Militärausgaben befinden sich heute mit deutlich über 2,2
Billionen US-Dollar auf dem höchsten Stand aller Zeiten. Die USA und Russland
verfügen über 92Prozent der Atomwaffen weltweit, Russland über 6.225, von denen
rund 1.600 einsatzbereit sind. In der Rangliste der Militärausgaben entfallen
fast 75 Prozent der weltweiten Ausgaben auf die ersten zehn Länder. Deutschland
steht auf Platz sieben. Mit dem 100-Mrd.-Sondervermögen und einer Erhöhung der
Rüstungsausgaben auf zwei Prozent des BIP wäre sogar ein Aufstieg auf Platz vier
zu erwarten. Deutschland wäre dann das Land mit den höchsten Militärausgaben in
Europa.
- Die Spirale der Aufrüstung darf nicht unaufhörlich nach oben gedreht
werden. Es hat nichts mit Entspannungspolitik zu tun, „den Gegner
kaputtzurüsten“ oder ihn auf ähnliche Weise in die Knie zu zwingen. Es ist
eine zivilisatorische Errungenschaft, Auseinandersetzungen zwischen
unterschiedlichen Ordnungen und Systemen sowie die Frage, wer und was sich
als besser und überlegen erweist, im geschichtlichen Prozess auf nicht-
kriegerische Weise auszutragen. Konkurrenz gerade in der gefährlichsten
und verheerendsten Weise auszutragen, ist und bleibt falsch.
Wir müssen aufs Neue zu den Prinzipien und Zielen einer Politik der Entspannung
und der friedlichen Konfliktlösung kommen. Dazu gibt es im Atomzeitalter und
angesichts globaler Herausforderungen keine Alternative. Wir brauchen die Idee
eines Friedens in Gesamteuropa. Der Krieg in der Ukraine ist nicht zu
rechtfertigen. Dennoch müssen wir über ihn hinausblicken, um Frieden zu
schaffen. Andernfalls kommt es entweder zu einem schrecklichen Stellungskrieg
in der Ukraine oder die NATO wird immer stärker in diesen Krieg hineingezogen.
Der Krieg droht dann völlig unberechenbar zu werden.
NATO:Konzept 2030 – hin zu einer globalen Armee?
- Die Hinwendung zu konfrontativer, im Wesentlichen militärisch-basierter
Außenpolitik ist heute global zu spüren. Ein Beispiel dafür ist das
Konzept NATO 2030, das im Juli 2022 in Madrid beschlossen wurde und auch
eine Erweiterung des NATO-Einsatzgebietes in den pazifischen Raum
vorsieht. Die USA suchen nach Partnern in ihrer Konkurrenz zu China –
wirtschaftlich wie militärisch. Doch auch hier ist in erster Linie eine
Friedens- und Entspannungspolitik notwendig.
Die Militärausgaben drohen in den nächsten Jahren – auch in der Folge des
Ukraine-Krieges – weiter stark anzusteigen. Die „Modernisierung“ und Ausweitung
der Nuklearwaffen mit neuen Trägersystemen schreitet voran. Dazu zählen auch
Hyperschallraketen. Zudem können die SMR-Reaktoren dazu führen, verstärkt Mini-
Nukes zu bauen, die die Schwelle zum Einsatz von Atomwaffen senken.
Die Grenzen zwischen Kriegsführung und Frieden verwischen sich auf vielen
Feldern. Hybride Kriegsführung, Terroranschläge, der Einsatz von Söldnern,
Cyberkrieg, die Zerstörung kritischer Infrastruktur, Desinformationskampagnen
sind zum Standard internationaler Auseinandersetzungen geworden.
Besonders die europäische Politik ist gefordert, ein friedliches Gegengewicht zu
schaffen. Deutschland kann dabei eine wichtige Rolle einnehmen.
IV. GEMEINSAME ANTWORTEN IN DER ZUSAMMENGEWACHSENEN WELT
„Ohne Frieden ist alles nichts.“
Willy Brandt
DasWichtigste: Frieden schaffen
- Das Wichtigste, aber auch das Schwerste im Krieg ist, Frieden schaffen.
Sicherheitspolitik ist mehr als eine Verteidigungskraft mit Waffen. Sie
muss die Sicherheitsinteressen aller Beteiligten einbeziehen, um zu
Abrüstung und struktureller Nichtangriffsfähigkeit zu kommen. Bei Egon
Bahr hieß das: Im Atomzeitalter gibt es keinen Frieden gegen einen
Gegner, sondern nur mit ihm. In Europa wird es keine Sicherheit ohne
Russland und schon gar nicht gegen Russland geben. Für den Ukraine-Krieg
sind Übereinkünfte am Verhandlungstisch das Wichtigste, möglichst unter
Beteiligung von OSZE oder UNO und mit Hilfe einflussreicher Moderatoren
wie zum Beispiel der B (R) ICS-Staaten Brasilien, Indien, China und
Südafrika, die sich auch dazu bereit erklärt haben, oder anderen Staaten
aus der Gruppe der G20.
- Die großen globalen Fragen, insbesondere die Klimakrise oder die Sicherung
von Rohstoffen, können nur in globaler Kooperation und Zusammenarbeit
gelöst werden. Die Reform und Stärkung der UNO gehört auch deshalb auf
die Tagesordnung, eine Initiative der EU wäre dafür notwendig und
zielführend. Klimaschutz wird ohne große und ressourcenreiche Länder wie
Russland und China nicht möglich sein. Ein „the West against the rest“ ist
und bleibt falsch. Aus Fehlern der Vergangenheit müssen die richtigen
Schlüsse gezogen werden, um derartige Fehler bei der Bewältigung der
Herausforderungen, die die gesamte Menschheit betreffen, zu vermeiden.
- Wenn es nicht zu mehr Gemeinsamkeit kommt, drohen schon wegen der
Ungleichheit im Zugang zu wirtschaftlichen, technischen und natürlichen
Ressourcen der Welt künftig erbitterte Verteilungskämpfe, die zu neuer
Gewalt und Kriegen führen können. Sie zu verhindern ist mehr denn je ein
Gebot der Vernunft. Deutschland und Europa brauchen eine neue Phase der
Friedens- und Entspannungspolitik, eine europäische Partnerschaft für
Frieden, Gewaltverzicht und Menschenrechte. Das ist eine wichtige
Voraussetzung für eine Weltinnenpolitik. Kann es etwas Wichtigeres geben,
als eine Welt des Friedens mitzugestalten? Dafür knüpfen wir an die
großen Botschaften der UNO aus den 1980er Jahren an. Gemeinsames
Überleben, Gemeinsame Sicherheit, Gemeinsame Zukunft.
Gemeinsame Sicherheit heute
- Krieg darf kein Mittel der Politik sein. Es geht nicht nur darum, Kriege
zu begrenzen, sondern, wie Willy Brandt in seiner Rede zur Verleihung des
Friedensnobelpreises herausstellte, sie abzuschaffen. Aus den Erfahrungen
des letzten Jahrhunderts erwächst uns die Verpflichtung, dass sich die
Katastrophen der Weltkriege nie wiederholen dürfen. Der Ukraine-Krieg ist
eine Mahnung, die Entspannungspolitik wieder aufzunehmen. Das Konzept
dafür ist die Gemeinsame Sicherheit, welches 2022 das Palme-Institut in
einer erweiterten Form vorgelegt hat, um die neuen globalen Bedrohungen
einzubeziehen. Die Krisen- und Konfliktprävention muss gestärkt werden.Und
es wird keine gemeinsame Sicherheit ohne nukleare und konventionelle
Abrüstung, Rüstungskontrolle und Rüstungsbegrenzungen und reduzierte
Militärausgaben eben. Andernfalls drohen die Militärausgaben die
finanziellen Ressourcen aufzufressen, die dringend an anderer Stelle
gebraucht werden, auch für eine Politik, die Kriege und gewaltsame
Verteilungskämpfe verhindert.
Eine faire Welt der Gemeinsamkeiten
- Angesichts der Herausbildung neuer globaler Blöcke müssen wir dafür Sorge
tragen, eine komplette Entflechtung oder dauerhafte Beendigung der
wirtschaftlichen, technologischen, kulturellen und diplomatischen
Beziehungen zu verhindern. Die zusammengewachsene Welt ist auf
Gegenseitigkeit angewiesen. Nur faire Verflechtungen zwischen den Staaten
und Gesellschaften dieser Erde, die nachhaltig sind und neue Kriege zu
verhindern helfen, die für die Menschen verbrecherisch, irrational und
selbstzerstörerisch Geißel sind. Die Verflechtungen der Gesellschaften zu
fördern und voranzutreiben, entzieht neuen Kriegen die Grundlage. Die
Diplomatie muss helfen, laufende Kriege zu beenden oder den Ausbruch neuer
Kriege zu verhindern.
- Friedenspolitik muss heute über die Entspannungspolitik der vergangenen
Jahrzehnte hinausweisen. Sie baute auf den Erfahrungen zweier Weltkriege
und des Kalten Krieges auf. Beide Seiten blieben unter dem Atomschirm der
jeweiligen Supermacht. Zugleich herrschte ein strukturelles Misstrauen, so
dass sich beide Seiten mit Gegenschlagmaßnahmen darauf vorbereiteten, die
im Falle eines Angriffs zu verheerenden Schäden der anderen Seite geführt
hätten. Die Friedens- und Entspannungspolitik hat versucht, unter diesen
Bedingungen mehr gegenseitiges Vertrauen zu schaffen, zu menschlichen
Erleichterungen zu kommen sowie Abrüstung und Rüstungskontrolle zu
vereinbaren.
- Der russische Überfall auf die Ukraine und die darin liegende absichtliche
Verletzung des Völkerrechts wird nun mitunter Seite als Beleg dafür
herangezogen, dass gegenseitige Vereinbarungen zur Entspannung,
Friedenswahrung und Abrüstung der Boden entzogen sei. Es ist richtig, den
Bruch des Völkerrechts durch Russland zu verurteilen. Daraus sollte nicht
der Schluss gezogen werden, hinter die Entspannungspolitik und die
Vereinbarungen, die von konservativer Seite nicht gewollt und stets von
Misstrauen begleitet wurden, zurückzufallen. Das Gegenteil ist richtig: Es
muss uns gelingen, sie zu einer nachhaltigen Weltinnenpolitik der
sozialen und ökologischen Gestaltung der Transformation zu erweitern.
Dafür geht es auch heute um eine globale Vertrauensbildung für
Entspannung und Kooperation, eine Vertiefung der Abrüstung,
Rüstungskontrolle und Rüstungsbegrenzung und eine gemeinsame Sicherheit.
Das wird uns nicht gelingen durch schlichtes Beharren auf Vertrauensseligkeit
oder der Beteuerung, dass an Verhandlungen kein Weg vorbeiführt. Vielmehr müssen
wir einen Zustand der Staaten untereinander schaffen, in dem das Anfangen eines
Krieges nicht nur irrational, sondern zu einem selbstschädigenden Unterfangen
wird.
Begründung
Begründung erfolgt mündlich
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