Veranstaltung: | SPD Thüringen Landesparteitag 2023 |
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Tagesordnungspunkt: | 7. Antragsberatung und Beschlussfassung |
Antragsteller*in: | Jusos Thüringen |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 24.10.2023, 14:30 |
M1: Solidarität statt Abschottung - In Thüringen auch international zusammenhalten
Antragstext
Als im Jahr 2022 als Folge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine über
eine Million Geflüchtete in die Europäische Union kamen und hier Schutz fanden,
zeigte sich ein lange verschollenes Gesicht der europäischen Asylpolitik. Nicht
Abschottung, Inhumanität und Uneinigkeit zwischen den Staaten prägten das Bild,
sondern eine große internationale Solidarität.
Anderthalb Jahre nach Beginn des russischen Angriffskrieges und der
Fluchtbewegung der Ukrainer:innen spielt das Thema Migration noch immer eine
Rolle, aber der Ton hat sich verändert. Statt solidarischer und konstruktiver
Debatten führen wir Diskussionen über mehr und schnellere Abschiebungen, die
Ausweitung sicherer Herkunftsländer und die zunehmende Abschottung der
Europäischen Union durch den Asyl- und Migrationspakt. Dieser Diskurswechsel ist
besonders in Anbetracht der noch vor einem Jahr praktizierten solidarischen und
humaneren Asylpolitik nur schwer zu ertragen. Deswegen ist es höchste Zeit, als
Sozialdemokrat:innen Haltung für eine menschenwürdige Asylpolitik zu zeigen und
sich gegen die teilweise menschenfeindliche, rassistische und von der Realität
losgelöste Migrationsdebatte zu stellen:
● Die SPD Thüringen lehnt die zugespitzte Rhetorik in der aktuellen
Migrationsdebatte ab und verurteilt die Übernahme und Annäherung an
rechtsextreme Narrative. Populismus und menschenfeindliche Aussagen können
niemals unsere Antwort auf die Herausforderungen unserer Gesellschaft sein.
● Die SPD Thüringen steht zum sozialdemokratischen Grundwert der internationalen
Solidarität. Dieser steht im unvereinbaren Gegensatz zur Abschottungspolitik.
Die Sozialdemokratie stand und steht für ein Europa der Menschen, nicht der
Mauern und Stacheldrähte.
● Als SPD Thüringen bekennen wir uns zu dem Ziel der europäischen Asyl- und
Flüchtlingspolitik, ein solidarisches Verteilungssystem aufzubauen. Dazu gehört
auch, dass eine verbindliche Vereinbarung zur Aufnahme von Geflüchteten zwischen
allen EU-Mitgliedstaaten getroffen wird und die für die Kontrolle und
Registrierung von Asylsuchenden verantwortlichen Anrainerstaaten durch einen
Solidaritätsmechanismus unterstützt werden.
In ihrem Koalitionsvertrag vereinbarten SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP einen
Paradigmenwechsel, hin zu einer humaneren Migrationspolitik. Doch mit dem MPK-
Beschluss vom 10. Mai 2023 zur “Gemeinsame[n] Flüchtlingspolitik von Bund und
Ländern” sind die getroffenen Vereinbarungen hinfällig. Die darin vorgesehenen
aufenthaltsrechtlichen Verschärfungen und Verlagerungen von Asylverfahren an die
EU- Außengrenzen sowie weitere Abschottungsmaßnahmen haben nichts mit der
versprochenen Migrationspolitik zu tun.
Die SPD Thüringen verurteilt diese Kursverschiebung ausdrücklich und kritisiert
im Besonderen die folgenden Maßnahmen der Bundesregierung:
● die Verschärfung von Dublin-Überstellungen, die Stärkung der europäischen
Grenzschutzagentur FRONTEX sowie bei den laufenden Verhandlungen zur Reform des
Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) für verpflichtende Grenzverfahren an
den EU-Außengrenze für bestimmte Personengruppen und im deutschen Asylrecht für
die Erweiterung des Sicheren-Herkunftsstaaten-Konzepts einsetzt sowie den Aufruf
des Europäischen Rates an die Europäische Kommission vom 9. Februar 2023
unterstützt, der sich dafür einsetzt, in der Europäischen Union umfangreiche
Finanzmittel und Ressourcen zu mobilisieren, um damit an den EU-Außenstaaten
Grenzschutzkapazitäten und Grenzschutzinfrastruktur auszubauen.
● dass sich die Bundesregierung und die Regierungschef:innen der Länder darauf
geeinigt haben, die gesetzlichen Regelungen der Abschiebehaft zu verschärfen,
wodurch in Zukunft eine Abschiebehaft unabhängig von der Asylantragstellung
möglich sein soll und dass allein der Verstoß gegen Einreise- und
Aufenthaltsverbote als selbstständiger Haftgrund außerhalb der Fluchtgefahr
eingeführt wird und darüber hinaus die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von
derzeit zehn auf 28 Tage verlängert werden soll sowie das Betretungsrecht in
Gemeinschaftsunterkünften zum Zweck der Auffindung der in Abschiebungshaft zu
nehmenden Person auch auf die Zimmer der anderen Bewohner:innenausgedehnt werden
soll.
Die SPD Thüringen fordert daher ihre Vertreter:innen in der Thüringer
Landesregierung und im Thüringer Landtag auf, sich gegenüber der
Bundesregierung, der SPD-Bundestagsfraktion und dem SPD Parteivorstand
ausdrücklich gegen diese Pläne und Vorhaben auszusprechen.
Jedoch nehmen wir nicht nur die SPD auf Bundesebene in die Pflicht, sofortige
Maßnahmen zur Verbesserung der Situation zu ergreifen, sondern auch die SPD in
Thüringen. Deshalb fordern wir die schnellstmögliche Umsetzung folgender
Maßnahmen:
● Eine Abschaffung der Wohnverpflichtung für Asylsuchende in
Aufnahmeeinrichtungen nach § 49 II AsylG. Dies stellt eine absolut notwendige
Entlastung der Aufnahmeeinrichtungen dar. Wer die Möglichkeit hat, selbstständig
bei Familien, Freund:innen oder auf eigene Kosten unterzukommen, sollte diese
Möglichkeit auch wahrnehmen können. Geflüchtete können selbstbestimmt leben und
es werden dringend benötigte Plätze in den Aufnahmeeinrichtungen frei.
● Eine grundlegende Überarbeitung der Thüringer Verordnung über
Mindestbedingungen für den Betrieb von Gemeinschaftsunterkünften und die soziale
Betreuung und Beratung von Flüchtlingen und Asylsuchenden (ThürGUSVO). Die
Mindeststandards müssen dringend angehoben werden. Außerdem sind die
Möglichkeiten zur dezentralen Unterbringung massiv auszubauen.
Änderungsanträge
- Ä1 (Jusos Thüringen, Eingereicht)
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