Die Novellierung des Thüringer Polizeiaufgabengesetzes (ThürPAG) gehört zu den zentralen innenpolitischen Vorhaben dieser Legislatur. Die im Gesetzentwurf des Innenministeriums vorgesehenen neuen Befugnisse – darunter elektronische Aufenthaltsüberwachung, KI-gestützte Videoüberwachung, Distanz-Elektroimpulsgeräte, digitale Rasterfahndung, Gesichtserkennung, Stimmabgleich und automatisierte Kennzeichenerfassung – berühren wesentliche Grund- und Freiheitsrechte und greifen tief in die private Lebenssphäre der Bürger*innen ein. Zahlreiche dieser Maßnahmen sind nach Auffassung einiger Mitglieder in ihrer aktuellen Form hinsichtlich ihrer Notwendigkeit, Verhältnismäßigkeit und verfassungsrechtlichen Zulässigkeit nicht hinreichend begründet oder mit wirksamen Kontrollmechanismen unterlegt.
Gleichzeitig zeigt sich in den vorliegenden Anträgen zum Thüringer Polizeiaufgabengesetz (Anträge J3 und J4), dass wir grundlegende gemeinsame Wertvorstellungen vertreten. Vor dem Hintergrund zunehmender rechtsextremer Mobilisierung und parlamentarischer Einflussgewinne antidemokratischer Kräfte ist besondere Sensibilität geboten. Ein Gesetz, das tief in Grundrechte eingreift, muss so ausgestaltet sein, dass seine Befugnisse nicht missbraucht werden können – weder heute noch unter potenziell veränderten politischen Mehrheiten. Dies macht eine besonders sorgfältige, transparente und fachlich belastbare Prüfung aller vorgeschlagenen Maßnahmen erforderlich.
Denn eines ist für uns klar, die Eingriffsbefugnisse dürfen im Falle zukünftiger politischer Mehrheiten nicht zu einem Instrument gegen Demokratie, Minderheiten oder politische Gegner werden. Daher teilen wir gemeinsam die Überzeugung: Ein Polizeiaufgabengesetz darf niemals Möglichkeiten schaffen, die ein autoritärer Staat missbrauchen könnte.
Ebenso besteht Einigkeit zwischen uns, dass Änderungen am ThürPAG ausschließlich mit einer Mehrheit demokratischer Kräfte im Thüringer Landtag beschlossen werden dürfen.
Neben den voran dargestellten Gemeinsamkeiten sind wir uns aber auch bewusst, dass wir zu einigen Punkten divergierende fachliche und politische Auffassungen vertreten. Dies lässt sich beispielhaft an den folgenden Maßnahmen darstellen:
a) Präventive elektronische Aufenthaltsüberwachung
Einige von uns sehen darin ein legitimes, aber eng begrenztes und richterlich kontrolliertes Instrument zur Gefahrenabwehr.
Andere von uns lehnen diese Maßnahme wegen der mit ihr verbundenen tiefen Grundrechtseingriffe, dem sich aus der Maßnahme ableitenden trügerischen Sicherheitsversprechen, sowie der geringen Effizienz zur wirksamen Gewaltprävention und möglicher Missbrauchsrisiken ab.
b) KI-gestützte Videoüberwachung
Einige von uns lehnen diese wegen erheblicher Risiken ab, insbesondere wegen intransparenter und fehlerhafter Algorithmen, Diskriminierungsgefahren, Eingriffe in die informationelle Selbstbestimmung und der Gefahr schleichender Massenüberwachung. Außerdem stellen sie den realen Nutzen im Hinblick auf eine tatsächliche Gewaltprävention in Frage.
Andere von uns sehen darin die Möglichkeit, moderne Technik verantwortungsvoll zur Gefahrenfrüherkennung einzusetzen.
c) Einsatz von Distanz-Elektroimpulsgeräten (Taser / DEIG)
Einige von uns halten die Einführung für ein mögliches milderes Mittel zwischen Schlagstock und Schusswaffe.
Andere von uns verweisen auf die realen Verletzungsrisiken, Todesfälle, Eskalationsgefahren sowie die nicht bestehende Notwendigkeit dieses Mittels und lehnen deswegen das von der Koalition gewollte Pilotprojekt und eine daraus möglicherweise folgende breite Einführung ab.
Diese Vielfalt an Bewertungen ist für uns Ausdruck einer lebendigen, demokratischen Parteikultur. Wir erkennen an, dass wir insbesondere zu diesen Fragen derzeit unterschiedliche Standpunkte haben. Gemeinsam haben wir jedoch den Willen konstruktiv, respektvoll und ergebnisoffen weiter zu beraten und damit verbundenen Dissens aufzulösen, sowie Lösungen für die bestehenden Unterschiede zu suchen, um Einfluss auf den parlamentartischen Prozess und das daraus resultierende Polizeiaufgabengesetz zu nehmen.
Damit wir den Austausch strukturiert durchführen können, ist die Einrichtung einer Arbeitsgruppe bei der Landtagsfraktion der geeignetste Weg, um auch:
- verfassungsrechtliche, sicherheitspolitische und technische Expertise einzubeziehen,
- eine gemeinsame Grundlage für verantwortungsvolle Entscheidungen zu schaffen,
- interne Diskussionen geordnet zu begleiten und die interne Demokratie zu stärken.
Mit dieser Arbeitsgruppe wird gewährleistet, dass der Gesetzgebungsprozess kontinuierlich, transparent und kritisch begleitet wird. Minderheitenpositionen werden nicht überdeckt, sondern ausdrücklich dokumentiert. Der Partei wird so ermöglicht, eine fundierte, differenzierte und verantwortungsvolle Position in das parlamentarische Verfahren einzubringen. Ziel ist es, gemeinsam dafür zu sorgen, dass das ThürPAG modernisiert wird, ohne Grundrechte auszuhöhlen, rechtsstaatliche Standards zu unterlaufen oder strukturelle Diskriminierungen zu verstärken.
Die SPD Thüringen sendet damit ein deutliches Signal: Sie gestaltet Sicherheitspolitik demokratisch, grundrechtsorientiert und mit maximaler Transparenz – und setzt dabei auf offenen Austausch, gemeinsame Verantwortung und klare Schutzmechanismen gegenüber jeder Form politischen Missbrauchs.
| Antrag: | Für ein modernes, grundrechtskonformes und handlungsfähiges Polizeiaufgabengesetz |
|---|---|
| Antragsteller*in: | Jusos Thüringen, KV Altenburger Land, ASJ, KV Kyffhäuserkreis, Nordhausen, Saalfeld-Rudolstadt, Saale-Holzland-Kreis, Saale-Orla-Kreis, Schmalkalden-Meiningen, Wartburgkreis, Weimarer Land |
| Status: | Angenommen |
| Eingereicht: | 21.11.2025, 19:25 |

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Lukas Staab: