| Antrag: | Grundsicherung verlässlich gestalten: Schutz, Qualifizierung, Arbeit |
|---|---|
| Antragsteller*in: | KV Erfurt |
| Status: | Geprüft |
| Eingereicht: | 22.11.2025, 09:30 |
Ä1 zu C4: Grundsicherung verlässlich gestalten: Schutz, Qualifizierung, Arbeit
Von Zeile 42 bis 43 einfügen:
- Regelbedarfe und insbesondere die Kosten der Unterkunft regelmäßig anheben bzw. anhand der Lebenshaltungskosten anpassen und die Berechnungsmethode reformieren (realistische Warenkörbe für Mobilität, Kommunikation, Bildung/Teilhabe);
Die Sozialdemokratie misst ihren Erfolg daran, ob Menschen selbstbestimmt leben,
an der Gesellschaft teilhaben und gute Arbeit finden können. Bereits 2016 hat
die SPD Thüringen hierzu eine klare Linie beschlossen: Das Aktivierungsparadigma
mit seinen Zwangselementen – gerade gegenüber Langzeitarbeitslosen – ist nicht
zielführend; das Verhältnis von Fördern und Fordern ist asymmetrisch. Die
Leitlinie lautet seitdem: weg vom reinen Aktivieren, hin zum Befähigen –
Autonomie stärken, Handlungsmöglichkeiten erweitern, echte Teilhabe sichern.
Diese Linie steht im Einklang mit dem Grundsatzprogramm der SPD vom vorsorgenden
Sozialstaat: Er organisiert Solidarität, sichert Übergänge im Lebenslauf,
ermöglicht Qualifizierung und eröffnet Chancen auf gute Arbeit – statt Menschen
unter Druck zu setzen. Deshalb bleibt für uns festzuhalten:
- Erwerbslose sind Teil der Arbeitnehmer:innenfamilie. Die Grundsicherung
nach SGB II ist Schutznetz in Erwerbsverläufen – beim Aufstocken, bei
Krankheit, Pflege, Erziehung, Qualifizierung. Zu niedrige Leistungen in
Kombination mit der Pflicht, „jede Arbeit“ anzunehmen, schwächen die
Verhandlungsmacht aller Beschäftigten und befördern Geschäftsmodelle mit
schlechter, prekärer Arbeit. Diese Erfahrung haben wir aus der Hartz-Zeit
gelernt.
- Mehr Druck erzeugt Lohndruck. Ein Vermittlungsvorrang „um jeden Preis“
drängt Menschen in beliebige, häufig unqualifizierte Jobs und zementiert
Prekarität, statt soziale Aufstiege über Qualifizierung zu ermöglichen.
- Lebenslagen ernst nehmen. Knapp bemessene Regelbedarfe,
Verschuldungsrisiken und die Angst vor Wohnungsverlust untergraben
Integrationsbemühungen und Abschlussorientierung. Eine Grundsicherung, die
trägt, erleichtert Bewerbungen, Umschulungen und Qualifizierungen – das
ist Kern unserer sozialdemokratischen Teilhabepolitik.
- Lohnabstand richtig verstehen. Problematisch sind hohe Anrechnungsquote
(Leistungsabzug auf andere Sozialleistungen bei Mehrverdienst) in der
Kombination von Leistungen (z. B. Wohngeld/Kindergeldzuschlag), nicht „zu
hohe“ Regelsätze. Unsere Antwort sind Tarifbindung, ein armutsfester
Mindestlohn, Tariftreue und Qualifizierung – nicht Armutsdruck.
Vor diesem Hintergrund fordern wir:
I. Leitprinzipien der Weiterentwicklung
- „Vom Aktivieren zum Befähigen“ als leitendes Prinzip der Grundsicherung
bekräftigen: individuelle Förderung, echte Qualifizierungspfade und
Anerkennung von Übergängen statt pauschaler Sanktionslogik.
- Vorsorgenden Sozialstaat stärken: Übergänge (Weiterbildung, Erziehung,
Pflege, Engagement) als gesellschaftlich nützlich anerkennen und
verlässlich absichern; Ziel ist Selbstbestimmung durch Qualifikation und
Zugang zu guter Arbeit.
II. Leistungen armutsfest und vorausschauend gestalten
- Regelbedarfe und insbesondere die Kosten der Unterkunft regelmäßig anheben bzw. anhand der Lebenshaltungskosten anpassen und die Berechnungsmethode reformieren (realistische
Warenkörbe für Mobilität, Kommunikation, Bildung/Teilhabe);
vorausschauende Dynamisierung an die tatsächliche Teuerung sicherstellen –
Teilhabe statt Mangel.
- Freibeträge und Zuverdienstgrenzen verbessern und die Anrechnungsquote
(Leistungsabzug bei Mehrverdienst z.B. bei Wohngeld/Kindergeldzuschlag)
wirksam senken, damit Mehrarbeit spürbar lohnt – Anreize ohne Armutsdruck.
- Karenzzeiten und Schonvermögen stabilisieren, um Lebensleistung zu
schützen und Vertrauen zu sichern; insbesondere Schutz der angemessenen
Wohnkosten in der Karenz.
III. Qualifizieren statt kürzen
- Vorrang nachhaltiger Qualifizierung (Ausbildung, Teilqualifizierung,
Berufsabschluss) vor kurzfristiger Vermittlung in unqualifizierte
Beschäftigung rechtlich, finanziell und organisatorisch absichern.
- Sozialen Arbeitsmarkt entfristen und solide finanzieren: öffentlich
geförderte, gemeinwohlorientierte Beschäftigung dauerhaft als Brücke in
und als Alternative zur ersten Erwerbsarbeit bereitstellen – mit engen
kommunalen Partnerschaften.
- Weiterbildungsprämien sichern und ausbauen; individuelle Betreuung und
Coaching stärken – mehr Zeit pro Fall, verlässliche Eingliederungstitel,
keine Mittel-Kürzungen zulasten der Integration.
IV. Rechte wahren, Verfahren vereinfachen
- Sanktionen nur als Ultima Ratio, strikt grundrechtskonform; das physische
und soziokulturelle Existenzminimum bleibt unantastbar. Rückkehr zum
kooperativen Ansatz statt Abschreckungsregime.
- Digital vereinfachen („One-Stop-Shop“): Eine zentrale, nutzerfreundliche
Plattform mit Einmal-Dateneingabe und automatischer Anspruchsprüfung
(Bürgergeld/Wohngeld/Kindergeldzuschlag) – Anträge vereinfachen, klare
Sprache, schnelle Bearbeitung.
- Entstigmatisierung und Faktenorientierung: Offensive gegen Populismus und
Mythen; transparent darstellen, wer Leistungen bezieht und warum;
Erwerbslose gehören programmatisch zur Arbeitnehmer:innenfamilie.
V. Arbeitsmarkt und Tarif stärken – Druck aus Beschäftigung nehmen
- Tarifbindung, armutsfester Mindestlohn, Tariftreue ausbauen; Mitbestimmung
stärken; prekäre Beschäftigung regulieren. So entstehen faire Löhne –
nicht durch Druck im Sicherungssystem.

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