Veranstaltung: | SPD Thüringen Landesparteitag 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 12 Antragsberatung und -beschlussfassung |
Antragsteller*in: | Jusos Thüringen |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 07.10.2024, 09:26 |
A3: Wehrhafte Demokratie beginnt im Wahlausschuss!
Antragstext
Nach § 24 III und § 28 II ThürKWG kann diejenige Person für das Amt des:der
Bürgermeister:in und des:der Landrät:in nicht gewählt werden, die nicht „die
Gewähr dafür bietet, dass sie jederzeit für die freiheitliche und demokratische
Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und die Landesverfassung
eintritt.”Dementsprechend braucht es eine klare Haltung in den Wahlausschüssen,
die das erste Bollwerk der wehrhaften Demokratie darstellen.
Wir fordern daher alle SPD-Mitglieder in den Wahlausschüssen dazu auf, sich
gewissenhaft mit den ihnen vorliegenden Wahlvorschlägen, insbesondere denen der
AfD und anderen rechten und extrem rechten Wahlbündnissen auseinanderzusetzen.
Gegebenenfalls sollen sie die Hilfe und Beratung des Landesverwaltungsamts als
Rechtsaufsichtsbehörde und viel mehr noch die Unterstützung von Beratungsstellen
wie MOBIT e.V. und ähnlichen Initiativen wahrzunehmen. Darüber hinaus fordern
wir sie dazu auf, in den Fällen, in denen eine intensive Auseinandersetzung mit
den vorgeschlagenen Kandidierenden zur Entscheidung notwendig ist, eine
Vertagung der Entscheidung zu beantragen, um mit der nötigen Zeit die Erörterung
des Sachverhalts vornehmen zu können.
Begründung
Am 22.04.2024 wurde Stefan Möller, der Kandidat der AfD Thüringen um das Amt des Oberbürgermeisters in Erfurt, vom Wahlausschuss in Erfurt trotz erheblicher Zweifel an seiner Verfassungsfestigkeit zur Wahl zugelassen. Für die Zulassung stimmte auch der in diesen Ausschuss entsandte Vertreter der SPD Erfurt. Noch in derselben Woche traf der Wahlausschuss im Kreis Hildburghausen seine Entscheidung über die Zulassung des bekannten Rechtsextremisten Tommy Frenck zur Kandidatur für das Amt des Landrats. Dort waren an der Entscheidung keine sozialdemokratischen Stimmen beteiligt. Stefan Möller hat es nicht in die Stichwahl geschafft. Tommy Frenck dagegen schon. Beide Fälle machen klar: Wir brauchen eine klare Haltung in den Wahlausschüssen.
Nach dem Eingang der Wahlvorschläge durch die Parteien und Wahlbündnisse wird eine Vorprüfung durch den Wahlleiter auf „Mängel“ formeller Art nach § 18 ThürKWO vorgenommen. Danach werden die Wahlvorschläge an den Wahlausschuss, bestehend aus dem Wahlleiter als Vorsitzenden und vier Beisitzer, weitergeleitet, die über die Vorschläge abstimmen und einen Beschluss fassen. In diesem Verfahren müssen die Wahlvorschriften aus § 31 I ThürKWK, was die ThürKWBG und die ThürKO einschließt, beachtet werden. Nach § 28 II ThürKWG finden die Wahlvorschriften Anwendung auf Wahlbeamte nach § 2 I ThürKWBG und § 106 ThürKO.
Nach § 24 III ThürKWG kann diejenigen Person nicht gewählt werden, die nicht „die Gewähr dafür bietet, dass sie jederzeit für die freiheitliche und demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und die Landesverfassung eintritt.“
Sowohl im Fall von Stefan Möller, AfD, als auch Tommy Frenck kann diese Gewähr nicht als gegeben angesehen werden.
Tommy Frenck ist eine zentrale Figur in der rechtsextremen Szene, nicht nur in Thüringen, sondern in der gesamten Bundesrepublik, der durch die Organisation von Rechtsrock-Konzerten immer wieder in das Auge der Behörden fiel, einen Onlinehandeln mit rechtsextremer Szenekleidung betreibt und in der Vergangenheit zahlreich in den Berichten des Verfassungsschutzes auftauchte.
Auch Stefan Möller, Mitglied der Alternative für Deutschland, für die er seit 2014 im Landtag sitzt und für die er ebenso lange Mitglied des Landesvorstandes des Landesverbandes Thüringens ist, kann die zweifelsfreie Gewähr seiner Verfassungstreue nicht geben. Seine Parteimitgliedschaft kann hier kein ausreichendes Indiz für seine Verfassungsfeindlichkeit darstellen, solange es sich bei der AfD nicht um eine durch das Bundesverfassungsgericht verbotene Partei handelt. Es muss stets eine umfassende Einzelfallentscheidung getroffen werden. Als Mitglied des Landesvorstands, der seit 2021 vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextreme Bestrebung bewertet wird, weil sie „Angriffe auf das Rechtsstaatsprinzip“ planen, „Verstöße gegen das Demokratieprinzip“ verüben und vornehmen und „Geschichtsrevisionismus“ betreiben, trägt und gestaltet Stefan Möller die Ausrichtung und die Bestrebungen des Landesverbands aktiv mit. Darüber hinaus ist er Mitunterzeichner der „Erfurter Resolution“, die den Beginn der Gründung des sogenannten „Flügel“ der AfD darstellte und der sich bis zu seiner offiziellen Auflösung zunehmend radikalisiert hat. Seine Nähe zu bekannten Rechtsextremisten und Reichsbürgern stellt seine Verfassungstreue zusätzlich unter Zweifel.
In beiden Fällen hat der Wahlausschuss dennoch die Wahlvorschläge zugelassen und so ermöglicht, dass Frenck und Möller am 26. Mai auf dem Wahlzettel standen und gewählt werden konnten.
Sie sind ihrer Pflicht der Sicherstellung und Prüfung der Wahlvorschriften aus § 31 ThürKWK nicht ausreichend nachgekommen und haben die Erfüllung des Erfordernisses der Gewähr über die Verpflichtung und Verteidigung des Grundgesetzes und der Landesverfassung durch die Vorgeschlagenen nicht hinreichend beachtet. Insbesondere im Fall von Tommy Frenck ist das beachtlich, hatte doch der Verfassungsschutz dem Wahlleiter ein umfassendes Dossier über Frencks Verankerungen und Verbindungen in der rechten Szene zukommen lassen, die ein umfassendes Bild über die Zweifel an seiner Verfassungstreue enthalten haben könnten. Zugutehalten muss man den Wahlausschüssen und ihren Mitgliedern, dass eine solche Entscheidung mit sehr wenigen persönlichen und zeitlichen Ressourcen getroffen und stets die Abwägung mit dem aktiven und passiven Wahlrecht der Beteiligten erfolgen muss.
Dennoch muss eine eindeutige Sachlage, wie in den oben genannten beispielhaften Fällen, beachtet werden.
Wenn Zweifel an der Verfassungstreue von Vorgeschlagenen bestehen, müssen die Mitglieder der Wahlausschüsse gegen die Zulassung zur Wahl stimmen. Der Gesetzgeber hat durch die Vorschriften zur Wahlvorbereitung und zu den Wahlausschüssen einen gewissen Spielraum für Fehlentscheidungen eingeräumt. Eine Entscheidung des Wahlausschusses gegen eine:n Kandidierenden ist im Falle einer Fehlentscheidung nicht endgültig, sondern kann sowohl durch die Rechtsaufsichtsbehörde, die nach § 32 I ThürKWK verpflichtet ist zur Vorbereitung und Durchführung der Wahlen auf die Einhaltung der Wahlvorschriften hinzuarbeiten, korrigiert werden. Auch steht den abgewiesenen Kandidierenden der Rechtsweg gegen die Entscheidung durch die Wahlprüfungsbeschwerde zu, sodass auch eine gerichtliche Überprüfung der Entscheidung in Zweifelsfällen immer gewährleistet wird.
Es muss in unserem Interesse liegen, dass in Zweifelsfällen über die Verfassungstreue von Kandidierenden für Ämter, insbesondere für Ämter von Wahlbeamten, wie Landräten und Oberbürgermeistern, die im Dienst des Landes stehen und sich dazu verpflichten das Grundgesetz und die Landesverfassung stets zu verteidigen, keine vorschnellen und vermeintlich leichten Entscheidungen getroffen werden.
Dafür müssen wir in den Wahlausschüssen Sorge tragen. Wenn die Wahlausschüsse den Vorgeschlagenen ihr Vertrauen bezüglich ihrer Verfassungstreue aussprechen, obwohl ernsthafte Zweifel an dieser bestehen, und die Kandidierenden dann, wie im Fall von Thommy Frenck, die Stichwahlen erreichen oder sogar gewinnen, wird eine Diskussion über die Verfassungstreue und die Wählbarkeit der Kandidierenden entbrennen, wie wir sie bereits im letzten Jahr bei der Wahl Sesselmanns in Sonneberg beobachten konnten. Und auch wenn diese Diskussionen natürlich wichtig sind und auch nachträgliche Überprüfungen, wie der sogenannte „Demokratie-Check“, den das Landesverwaltungsamt im letzten Mai im Nachgang der Landratswahl in Sonneberg vornahm, ihre Berechtigung haben, so sind sie doch Wasser auf die Mühlen der Demokratiefeinde in unserer Gesellschaft, die diese Vorgänge nutzen, um unser demokratisches System in Zweifel zu ziehen und zu verleugnen. Auch in der Bekämpfung der Demokratieverdrossenheit tut man sich so keinen Gefallen.
In diesen Fragen darf es keine Zweifel geben. Wahlausschüsse sind das erste Bollwerk und Instrument unserer wehrhaften Demokratie. Dieser Verantwortung müssen Sozialdemokrat:innen nachkommen.
Änderungsanträge
- Ä1 (Jusos Thüringen, Eingereicht)
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