Veranstaltung: | SPD Thüringen Landesparteitag 2025 |
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Tagesordnungspunkt: | 8 Antragsberatung und Beschlussfassung |
Antragsteller*in: | KV Jena |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 14.10.2025, 08:34 |
G4: Keine personalisierten Gesundheitsdaten für die Verbrechensprävention
Antragstext
001 Die SPD Thüringen lehnt eine neue Regelung ab, die den Einsatz von
Gesundheitsdaten zur Straf- und Gefahrenprävention ohne das Wissen und die
ausdrückliche Zustimmung der Betroffenen ermöglichen würde. Dies gilt
insbesondere für sensible Daten aus psychiatrischer oder psychotherapeutischer
Behandlung. Die Minister:innen und Abgeordneten der SPD Thüringen werden
aufgefordert, entsprechenden Regelungsvorhaben nicht zuzustimmen.
Begründung
Die Sozialdemokratie schützt Freiheit und Sicherheit gemeinsam. Ein präventiver Polizeizugriff auf Gesundheitsdaten, insbesondere aus psychotherapeutischen und psychiatrischen Behandlungen, verletzt diesen Grundsatz. Gesundheitsdaten gehören zum intimsten Kernbereich der Persönlichkeit. Die ärztliche und psychotherapeutische Schweigepflicht ist zu Recht strafbewehrt und berufsrechtlich gesichert. Sie ist Voraussetzung für Vertrauen. Ohne dieses Vertrauen suchen Menschen Hilfe später oder gar nicht. Das führt ohne weiteres dazu, dass Betroffene psychischer Erkrankungen sich nicht Behandlung begeben. Wer in der Therapie nicht mehr offen über Ängste, Aggressionen oder Krisen sprechen kann, weil er Polizeinutzung befürchtet, fällt durchs Netz der Versorgung. Das ist gesundheitspolitisch falsch und sicherheitspolitisch kurzsichtig. Die Schweigepflicht ist zudem eine öffentliche Schutzfunktion. Sie dient nicht nur dem Einzelnen, sondern dem Gemeinwohl, weil funktionierende Versorgung Gewalt und Krisen vorbeugt.
Ein genereller Zugriff würde psychische Erkrankungen fälschlich mit Gefährlichkeit gleichsetzen. Die allermeisten psychischen Erkrankungen haben keinerlei Bezug zu Gewalt. Ein solcher Ansatz erzeugt Stigmatisierung, Diskriminierung und eine hohe Zahl an Fehlalarmen. Er bindet Polizei- und Sozialressourcen an unverhältnismäßige Datenprüfungen, statt sie dort einzusetzen, wo sie wirken. Dabei muss darauf hingewiesen werden, dass die Polizei offensichtlich nicht die persönliche und sachliche Ausstattung hat, um die entsprechenden Gesundheitsdaten überhaupt richtig einzuordnen und aus einer Diagnose die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Hinzu kommen erhebliche Missbrauchs- und Pannenrisiken. Die jüngsten Vorfälle in Saalfeld zeigen, dass es bei der Thüringer Polizei ein erhebliches Risiko für die Weitergabe vertraulicher Daten gibt. Je sensibler die Daten, desto größer der Schaden bei Leaks und Fehlzuordnungen. Einmal in Sicherheitsdateien gespeichert, lassen sich intime Informationen praktisch nicht mehr zurückholen. Das gefährdet Vertrauen in Staat und Gesundheitswesen und beschädigt die Akzeptanz legitimer Sicherheitsmaßnahmen.
Rechtlich bestehen bereits heute wirksame und verhältnismäßige Wege für den Schutz vor konkreten Gefahren. Bei gegenwärtiger erheblicher Gefahr für Leib und Leben dürfen Behandelnde Informationen offenbaren. In schweren Fällen ist eine richterliche Anordnung im Einzelfall möglich, eng begrenzt, zweckgebunden und mit Löschfristen. Unser Ziel muss sein, diese bewährten Instrumente zu präzisieren, nicht sie durch eine anlasslose Datensammelregel zu ersetzen.
Praktisch gibt es bessere Prävention. Thüringen braucht niedrigschwellige Krisendienste, mobile Behandlungsteams, gute Übergänge nach Klinikaufenthalten, ausreichende Kassensitze in unterversorgten Regionen und wirksame kommunale Präventionsketten. Das verhindert Eskalationen, bevor sie entstehen, und stärkt Sicherheit, ohne Grundrechte auszuhöhlen.
Das zentrale Problem bei der Straftatenprävention liegt schon heute nicht im Mangel an Informationen. Polizei und Ordnungsbehörden haben Zugriff auf eine Vielzahl von Datenquellen. Diese werden jedoch aufgrund der angespannten Personalsituation nur unzureichend ausgewertet. Anstatt neue Eingriffsbefugnisse zu schaffen, ist es dringend geboten, mehr Polizist:innen, Richter:inn und Staatsanwält:innen einzustellen, damit die bestehenden Ermittlungsinstrumente überhaupt wirksam genutzt werden können.
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