Veranstaltung: | SPD Thüringen Landesparteitag 2025 |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | 8 Antragsberatung und Beschlussfassung |
Antragsteller*in: | Jusos Thüringen |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 14.10.2025, 09:19 |
F8: Haushalt für alle! – SPD muss auf Nachbesserungen drängen
Antragstext
Haushaltsverhandlungen bedeuten, dass tausende und sogar Millionen von Euro von
einem Haushaltsposten zum anderen geschoben werden. Was sich an vielen Stellen
sehr trocken anhört, ist die weitreichendste politische Entscheidung, die der
Thüringer Landtag in diesem Jahr treffen wird. Denn der Ausgang der
Verhandlungen für den Doppelhaushalt für die Jahre 2026 und 2027 hat konkrete
Folgen weit über diese zwei Jahre hinaus. Er gibt die politische Richtung der
Brombeer-Koalition in den kommenden Jahren vor und offenbart die politischen
Prioritäten. Als Jusos können wir uns nicht darauf ausruhen, Kürzungen zu
verhindern. Bei steigender Inflation und Tarifanpassung bedeutet die fehlende
Erhöhung von Haushaltsmitteln in einem bestimmten Bereich insbesondere bei der
Förderung von Personalkosten wie im Jugend- und Sozialbereich in Wirklichkeit
eine Kürzung der realen Leistungen und Mittel. Die geplante sogenannte “globale
Minderausgabe” entfaltet zudem eine verheerende Wirkung: 210 Millionen Euro
sollen am Jahresende im Haushalt eingespart werden, aber der
Haushaltsgesetzgeber sagt nicht wo. Das ist nicht nur unseriös und politisch
feige, es bedeutet auch eine erhebliche Unsicherheit für Fördermittel. Ob diese
tatsächlich durch das jeweilige Ministerium bewilligt werden oder nicht, ist
dann trotz Beschluss des Haushalts weiter unklar. Die notwendige
Planungssicherheit für Vereine und Verbände sieht anders aus!
Geld in die Kommunen, aber richtig!
Wir lehnen in der derzeitigen Form das geplante kreditfinanzierte
Investitionsprogramm über 1 Mrd. Euro das Kommunal-Invest-Programm für alle
Thüringer Gemeinden ab. Teilweise reden wir hier für Klein- und Kleinstgemeinden
von maximal 20 Tsd. Euro. Damit wird praktisch keine Investition in die Zukunft
möglich sein, hier wird Geld eher verbrannt. Mit solch kleinen Beträgen lassen
sich vor Ort keine sinnvollen Projekte realisieren. Es handelt sich lediglich um
Symbolpolitik. Hier wäre es sinnvoller, über einen Fonds umfassende
Zukunftsprojekte zu finanzieren. Stattdessen wird das Geld so kleinteilig
aufgeteilt, dass zwar jeder etwas vom Kuchen abbekommt, aber trotzdem niemand
satt wird. Dafür sind die Stücke schlichtweg zu klein.
Wir Jusos Thüringen halten diese Entscheidung für verfehlte Haushaltspolitik.
Nicht, weil wir nicht jeder Gemeinde mehr finanzielle Spielräume gönnen und
wünschen, sondern weil es sich hierbei nicht um eine zielgerichtete, nachhaltige
und damit sinnvolle Aufnahme von Schulden handelt. Wenn diese Entscheidung durch
den Thüringer Landtag getroffen wird, wird dies die finanziellen Möglichkeiten
der Landesregierung in den kommenden Jahrzehnten massiv einschränken und unter
anderem die Debatten über Kürzungen im sozialen Bereich weiter anheizen. Als SPD
Thüringen begrüßen wir grundsätzlich Investitionen und insbesondere auch die
Aufnahme von dafür benötigten Schulden, um die notwendigen, zielgerichteten und
sinnvollen Maßnahmen umsetzen zu können. Diese durch die Landesregierung im
Haushaltsentwurf veranschlagte Aufteilung der Investitionsmittel und die dafür
benötigte Verwendung von Mitteln halten wir für unseriös und lehnen sie daher
ab.
Keine Kürzungen bei Präventions- und Beratungsarbeit!
„Ein Haushalt, der in die Zukunft investiert“ - damit bewirbt Mario Voigt den
aktuellen Haushaltsentwurf. In der Zukunft, in der Mario Voigt lebt, scheinen
Förderprojekte zur Erhöhung der gesellschaftlichen Akzeptanz von LSBTIQ* und
Antidiskriminierungsarbeit keinen besonderen Stellenwert mehr zu haben. So sieht
der Entwurf in diesen wichtigen gesellschaftlichen Bereichen - von einem sowieso
schon nicht ausreichenden Niveau - immense Kürzungen von 180.000 Euro in 2026
und weitere Kürzungen vor. Damit stehen wichtige Projekte vor ihrem finanziellen
Ende, Aufklärungs- und Bildungsarbeit werden verhindert, Schutzräume geschwächt
und Beratungsstrukturen, wie etwa elly, die Beratungsstelle gegen HateSpeech,
der eine Kürzung um 85.000 Euro droht, destabilisiert und die gesellschaftliche
Vielfalt zum haushaltspolitischen Spielball gemacht.
Die Brombeer-Regierung sendet unterschiedliche politische Signale, so auch an
dieser Stelle. So sollen die Mittel für elly 2027 wieder um 76 Tsd. Euro
ansteigen. Damit liegt man noch nicht wieder beim derzeitigen Stand. Eine
politische Lenkungswirkung lässt sich durch dieses Kürzen und dann wieder
Erhöhen des Budgets unserer Meinung nach nicht erkennen, vielmehr wirken die
Zahlen gewürfelt.
Wir fordern, dass die Mittel für die Beratungsstelle elly im Doppelhaushalt auf
dem derzeitigen Stand inklusive Inflationsbereinigung gesetzt werden. Solange
politische Entscheidungsträger es nicht schaffen, wirksame Regelungen zur
Verhinderung von Hatespeech im Netz zu implementieren, ist es unsere Aufgabe,
die Betroffenen zumindest zu unterstützen. Dafür sind ausreichend finanzielle
Mittel unerlässlich. Es kann nicht sein, dass eine Schutzpflicht weggespart
wird!
Wir sagen deutlich: An diesen wichtigen Unterstützungsstrukturen darf nicht
gekürzt werden. Förderung von zivilgesellschaftlicher Vielfalt und Engagement
darf nicht eingestellt werden. Es wäre ein fatales Signal. Für uns als Partei
ist klar: Demokratie ist kein Luxus, sondern öffentliche Daseinsvorsorge für
eine freie Gesellschaft. Deswegen fordern wir die Rücknahme der Kürzungen und
die Verstetigung auf das Niveau des Vorjahres zuzüglich eines angemessenen
Inflationsausgleichs, damit Beratungsangebote, Koordinierungsstellen und die
demokratiefördernde Infrastruktur zuverlässig arbeiten können.
Gegen das Zwei-Klassen-Bildungssystem!
Die Landesregierung kümmert sich - jedenfalls laut der Haushaltszahlen - lieber
um Privatschulen als um die öffentlichen Schulen, für die sie direkte
Verantwortlichkeiten trägt. Es kann nicht sein, dass die Schulen in freier
Trägerschaft jedes Jahr mit dreistelligen Millionenbeträgen vom Land bezuschusst
werden, während dringend benötigte Investitionen in den öffentlichen Schulen auf
sich warten lassen. Darüber hinaus plant die Landesregierung eine weitere
Erhöhung der Zuschüsse um 26 Mio. Euro im kommenden Jahr und weitere 9 Mio. Euro
in 2027. Hier werden weitere Anreize für ein Zwei-Klassen-Bildungssystem
geschaffen, welches wir grundsätzlich ablehnen. Freie Schulen dürfen nicht
besser gestellt werden als öffentliche Schulen. Steuergelder müssen für mehr
Investitionen in die beste öffentliche Bildung eingesetzt werden.Wir erwarten
hier eine deutliche Korrektur durch die SPD-Fraktion in den kommenden
Haushaltsverhandlungen.
Stattdessen braucht es Mittel für die Schaffung und Ausfinanzierung eines
Kindergartentransformationsfonds.
Keine Kürzungen bei Arbeit und Jugend!
Außerdem wird das Landesprogramm „Arbeit für Thüringen“ um 3 Mio. Euro, also
nahezu 30 % eingekürzt. Das halten wir bei einer schwierigen
Arbeitsmarktsituation für schlichtweg unverantwortlich. Wir erwarten, dass die
SPD hier ihrer Selbstbeschreibung als Partei der Arbeit gerecht wird und sich
mindestens für einen Erhalt der Finanzmittel in der jetzigen Höhe einsetzt.
Wir erwarten außerdem echte finanzielle Unterstützung zum Erhalt von Strukturen
im ländlichen Raum und die finanzielle Unterstützung von jungen Menschen. Wir
nehmen es nicht mehr länger hin, dass Jungsein und sich in der Ausbildung
befinden ein Armutsrisiko ist. Deswegen müssen jetzt die finanziellen Mittel
eingestellt werden, um unter Beteiligung der Betriebe ein Azubi-Ticket für
Thüringen einzuführen.
In Thüringen ist die Zahl der jungen Menschen ohne Schulabschluss besonders
hoch. Die CDU sagt immer wieder, dass sie hier Verbesserungen erzielen will.
Eine Maßnahme dafür wäre, die Schulsozialarbeit in Thüringen zu stärken. Der
vorgelegte Haushalt sieht hier jedoch sogar eine Kürzung vor. Hierbei handelt es
sich zwar praktisch „nur“ um eine Kürzung um 400 Tsd. Euro, wenn man jedoch die
regulären Lohnsteigerungen berücksichtigt, ist diese Kürzung für die nächsten
zwei Jahre ziemlich dramatisch. Vor allem, da alle Studien und auch in allen
politischen Sonntagsreden immer darauf hingewiesen wird, wie wichtig
Schulsozialarbeit ist. Besonders vor dem Hintergrund, dass es bisher
Schulsozialarbeit nur für jede zweite Schule in Thüringen gibt, braucht es mehr
Geld des Landes zum Ausbau der Schulsozialarbeit.
Darüber hinaus fordern wir die Schaffung neuer Stellen im Thüringer
Studierendenwerk, um die derzeitigen jahrelangen Wartezeiten auf die Bewilligung
oder Ablehnung eines Bafög-Bescheids zu beenden. Wir fordern die SPD-Fraktion
auf, sich dafür vehement einzusetzen.
Abschiebehaft - ein Prestigeprojekt ohne Nutzen
Die Brombeerregierung hat sich die Einrichtung einer eigenen
Abschiebehaftanstalt zu ihrem zweifelhaften Prestigeprojekt gemacht. Als SPD
lehnen wir Abschiebehafteinrichtungen grundsätzlich ab. Dazu kommt, dass
angesichts des rückläufigen und sowieso schon bundesweit verhältnismäßig
geringen Migrationsaufkommens die Notwendigkeit einer solchen Einrichtung
insgesamt in Frage steht. Doch nun werden 1,8 Mio. Euro jährlich für diese
Einrichtung verschwendet, anstatt - wie es die vorangegangenen Landesregierungen
getan haben - für deutlich weniger Geld Plätze in anderen Bundesländern
anzumieten. Es handelt sich hierbei ausschließlich um populistische
Schaufensterpolitik, die keinen Mehrwert bietet.
Ankerzentren statt Integration
Neben der Schaffung einer Abschiebehaftanstalt hat die Brombeer-Regierung es
sich zur Aufgabe gemacht, die Thüringer Erstaufnahmeeinrichtungen zu faktischen
Ankerzentren auszubauen. Dies kostet uns im nächsten Jahr 10 Mio. Euro und 2027
sogar 20 Mio. Euro. Zusätzlich dazu fallen für die Bewirtschaftung und Anmietung
dieser neuen Gebäude über 100 Mio. Euro für die nächsten zehn Jahre an. Das ist
nicht weniger als aberwitzig, da sich zum Beispiel die derzeitige Einrichtung in
Eisenberg in Landesbesitz befindet und erst im Jahr 2024 4,8 Mio. Euro für eine
Erweiterung ausgegeben wurden. Damit das menschenfeindliche Asylsystem ausgebaut
werden kann, fehlen die Gelder, um in Projekte zu investieren, die ein gutes
Ankommen für Geflüchtete in Thüringen und eine nachhaltige Integration
ermöglichen. Deshalb plant die Landesregierung Kürzungen in der Sozialberatung
und bei Integrationsprojekten in Höhe von sechs Mio. Euro. Damit verkennt die
Brombeer-Koalition die Notwendigkeit von Integration in den Freistaat, die sich
vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der immer weniger werdenden
Bevölkerung in Thüringen weiter verschärft. Es braucht junge Menschen in
Thüringen, und Migration ist dafür ein Mittel. Wenn die Landesregierung ihren
Kurs aber beibehält, dann sieht die Zukunft des Freistaats wortwörtlich alt aus.
Gleichzeitig setzt die Brombeere somit ohne Not AfD-Politik um und liefert den
Faschist:innen Auftrieb. Dabei war es doch einst einmal das Ziel und Zweck der
Regierung, eine Koalition zu bilden, um die AfD von den Hebeln der Macht
fernzuhalten. Dieser Aufgabe muss die Koalition nachkommen, ansonsten stellt
sich die Frage nach der Grundlage der Regierung.
Wir fordern insbesondere die SPD-Landtagsfraktion und die Minister:innen der SPD
in der Landesregierung dazu auf, sich gegen diese Pläne auszusprechen.
SPD muss rote Linien ziehen!
Dieser Haushaltsentwurf enthält viele Punkte, die die SPD Thüringen nicht
mittragen kann und darf. Gleichzeitig fehlt die deutliche Spur eines
sozialdemokratischen Stempels in diesem Haushalt. Die mit dem Doppelhaushalt
vorgezeichnete politische Schlagrichtung und die offenbarten
Schwerpunktsetzungen lehnen wir als SPD Thüringen ab und erwarten von der SPD-
Fraktion deutliche Nachbesserungen. Wir sind uns der Schwierigkeiten der
Kompromissfindung in Haushaltsverhandlungen, insbesondere mit diesen beiden
Koalitionspartnern, bewusst. Dennoch appellieren wir an die SPD-Fraktion im
Landtag, sich gemeinsam mit der Fraktion der Linken als einziger demokratischer
Oppositionsfraktion im Thüringer Landtag für die Stärkung sozialpolitischer und
gemeinwohlorientierter Projekte einzusetzen. Es darf kein weiteres Geld für
sinnlose populistische Prestigeprojekte geben! Das Geld muss dort ausgegeben
werden, wo es wirklich gebraucht wird: für Projekte, die das Leben der
Thüringer:innen tatsächlich verbessern.
Wir fordern die SPD-Fraktion dazu auf, auf die Linke zuzugehen und gemeinsam für
einen Haushalt mit deutlicher sozialer Handschrift zu kämpfen. Nicht nur, weil
das gebraucht wird, sondern auch, weil nur das der Weg sein kann, um
sicherzustellen, dass der Haushalt die benötigte Mehrheit unter den
demokratischen Fraktionen im Landtag findet. Eine Verabschiedung des Haushalts
mit den Stimmen der faschistischen AfD darf es nicht geben - das einzuhalten,
muss zu jedem Zeitpunkt sichergestellt werden. Sollte es doch dazu kommen, muss
das zur Konsequenz haben, dass die SPD die Koalition unverzüglich verlässt.
Kommentare