| Veranstaltung: | SPD Thüringen Landesparteitag 2025 |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | 8 Antragsberatung und Beschlussfassung |
| Status: | Beschluss |
| Beschlossen am: | 22.11.2025 |
| Antragshistorie: | Version 2 |
Für ein transparentes, grundrechtsorientiertes und demokratiefestes Polizeiaufgabengesetz – Kritische Begleitung der PAG-Novelle und Einrichtung einer breit legitimierten Arbeitsgruppe
Beschlusstext
Der Landesparteitag möge beschließen:
Die SPD Thüringen unterstützt die von der Landesregierung beabsichtigte
Novellierung des Thüringer Polizeiaufgabengesetzes (PAG) ausdrücklich.
Ziel ist ein modernes, verfassungsfestes und an den technologischen sowie
gesellschaftlichen Wandel angepasstes Polizeirecht, das die Polizei befähigt,
Gefahren effektiv abzuwehren, Straftaten vorzubeugen und gleichzeitig die Grund-
und Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger zu schützen.
1.Positionierung zur PAG-Novelle
Die SPD Thüringen erkennt die Notwendigkeit einer Modernisierung des Thüringer
Polizeiaufgabengesetzes an. Zugleich stellt der Landesparteitag fest, dass der
vorliegende Entwurf des Innenministeriums in zentralen Punkten
verfassungsrechtliche, grundrechtliche und demokratietheoretische Fragen
berührt.
Der Landesparteitag hält fest, dass die im Entwurf vorgesehenen Maßnahmen u. a.
· präventive elektronische Aufenthaltsüberwachung (elektronische Fußfesseln),
· KI-gestützte Videoüberwachung,
· Distanz-Elektroimpulsgeräte im Regelbetrieb,
· digitale Rasterfahndung,
· Gesichtserkennung und Stimmabgleich,
· automatisierte Kennzeichenerfassung
je nach konkreter Ausgestaltung der Maßnahmen tief in die Grundrechte eingreifen
und deshalb hinsichtlich ihrer Notwendigkeit, ihrer Verhältnismäßigkeit und
damit ihrer verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit höchsten rechtsstaatlichen
Ansprüchen genügen müssen. Dies betrifft insbesondere das Vorhandensein
ausreichender Kontroll- und Missbrauchsschutzmechanismen.
Der Landesparteitag stellt weiterhin fest, dass ein Teil der Mitglieder der SPD
Thüringen und insbesondere die Jusos Thüringen, dem Entwurf der Novellierung des
Thüringer Polizeiaufgabengesetz kritisch gegenübersteht und die Notwendigkeit
der Eingriffe, ihre Verhältnismäßigkeit und damit ihre verfassungsrechtliche
Unbedenklichkeit als nicht hinreichend dargelegt betrachten
Wir fordern daher die Landtagsfraktion auf, diese Maßnahmen im
Gesetzgebungsverfahren kritisch zu prüfen, in Teilen gegebenenfalls
zurückzuweisen und dafür Sorge zu tragen, dass mit den Regelungen die
Grundrechte gewahrt, strukturelle Diskriminierung und politischer Missbrauch
verhindert wird.
2.Gemeinsame Grundüberzeugungen
Die SPD Thüringen bekräftigt:
· Sicherheit und Freiheit sind untrennbar miteinander verbunden und stehen
zueinander in gegenseitiger Abhängigkeit.
· Jede Erweiterung polizeilicher Befugnisse bedarf strikter Grundrechtsbindung
und muss vollständig verhältnismäßig, transparent und kontrollierbar
ausgestaltet sein.
· Ein Polizeiaufgabengesetz darf niemals Instrumente schaffen, die
antidemokratische und autoritäre Kräfte missbrauchen könnten.
· Änderungen am ThürPAG können nur mit demokratischen Mehrheiten beschlossen
werden.
3.Einrichtung einer neuen, breit legitimierten Arbeitsgruppe
Zur strukturierten innerparteilichen Beratung der unter Ziffer 1 aufgeführten
Maßnahmen wird eine Arbeitsgruppe „PAG-Novelle“ mit folgender Struktur
eingerichtet:
a) Zusammensetzung:
· 2 Vertreter*innen der Jusos Thüringen
· 2 Vertreter*innen des Landesvorstandes
· 2 Vertreter*innen der Landtagsfraktion
· 1 Vertreter*in der Landesregierung
· 1 Vertreter*in der ASJ
· 1 externe verfassungsrechtliche oder polizeiwissenschaftliche Fachperson
· 1 externe zivilgesellschaftliche Stimme aus dem Bereich Bürgerrechte /
Datenschutz
b) Arbeitsweise:
· Die AG arbeitet transparent; Protokolle werden allen Parteiebenen zugänglich
gemacht.
· Kritische Minderheitenpositionen werden ausdrücklich im Bericht der AG
dokumentiert.
· Die AG erhält ein Mandat, verfassungsrechtliche Bewertungslinien
herauszuarbeiten und die Position der Partei für das parlamentarische Verfahren
vorzubereiten bzw. dieses zu begleiten.
· Die AG arbeitet konsensorientiert, aber nicht konsensverpflichtet; Dissens
wird sichtbar gemacht.
· Die AG tagt mindestens monatlich und lädt bei Bedarf zusätzliche Expertise
ein. Es wird mindestens einmal eine parteiöffentliche Veranstaltung zu der
Novelle des PAG und dem Arbeitsstand aus der AG stattfinden.
4.Ergebnisbericht und Einbindung in das parlamentarische Verfahren
Die AG legt dem Landesvorstand und der Landtagsfraktion fortlaufend
Einschätzungen zu den relevanten Kritikpunkten vor und erarbeitet spätestens vor
Abschluss der parlamentarischen Beratungen eine gemeinsame oder – sofern
erforderlich – differenzierte Positionierung der Partei.
Die SPD Thüringen bekräftigt: Sicherheit und Freiheit sind keine Gegensätze –
sie bedingen einander.
Eine starke Demokratie braucht sowohl eine handlungsfähige Polizei als auch
klare rechtliche Grenzen, die den verfassungsrechtlichen Grundsätzen und der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entsprechen.
