Veranstaltung: | SPD Thüringen Landesparteitag 2025 |
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Tagesordnungspunkt: | 8 Antragsberatung und Beschlussfassung |
Antragsteller*in: | AfA Thüringen |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 14.10.2025, 07:16 |
C2: Für den 8-Stunden-Tag!
Antragstext
Die gegenwärtige politische Diskussion über eine stärkere Flexibilisierung der
Arbeitszeit greift häufig zu kurz. Im Zentrum jeder Arbeitszeitregelung müssen
der Schutz von Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Lebensqualität der
Beschäftigten stehen. Der 8-Stunden-Tag ist kein überholtes Modell, sondern ein
zentrales Element des Arbeitsschutzes. Er begrenzt gesundheitliche Risiken,
ermöglicht eine gerechte Arbeitsplanung und sichert soziale Teilhabe.
Die Debatte um längere Arbeitszeit suggeriert, dass mehr Arbeitsstunden
automatisch mehr Wohlstand schaffen. Sie verkennt jedoch, dass
gesellschaftlicher Wohlstand weit über bloße Arbeitszeit hinausgeht: Er basiert
auf verlässlichen Regeln, guten Arbeitsbedingungen, Investitionen in Bildung und
Gesundheit sowie sozialer Sicherheit.
Der Rückgang von Tarifbindung und betrieblicher Mitbestimmung führt zu
wachsender sozialer Ungleichheit. Gerade vor diesem Hintergrund steigt die
Bedeutung gesetzlicher Schutznormen.
Wer die Verantwortung einseitig auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abwälzt,
gefährdet den sozialen Zusammenhalt. Flexible Arbeitszeitmodelle müssen
transparent, kontrollierbar und mit verbindlicher Mitbestimmung gestaltet
werden.
Wir schließen uns dem Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes „Mit Macht für
die Acht“ an.
Wir stehen für eine Arbeitswelt, in der die Flexibilität den Menschen dient –
nicht umgekehrt. Der 8-Stunden-Tag war 1918 eine Errungenschaft für Gesundheit,
Würde und soziale Stabilität – und bleibt es bis heute. Dafür stehen wir ein.
Begründung
Der Acht-Stunden-Tag ist keine Nostalgie, sondern der Kern des modernen Arbeitsschutzes: Er begrenzt tägliche Belastung, schützt Gesundheit und sorgt für planbare Erholung – genau deshalb ist er im Arbeitszeitgesetz als werktägliche Obergrenze mit Ausgleich bis zu zehn Stunden verankert. Arbeitswissenschaftliche Befunde zeigen, dass mit zunehmender Tageslänge Unfall- und Erkrankungsrisiken deutlich steigen; ab der neunten Stunde nehmen Fehler und Unfälle merklich zu, ab der zwölften Stunde erhöht sich das Unfallrisiko sprunghaft. Auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlafstörungen, Burnout und Depressionen werden durch lange Arbeitstage begünstigt. Wer die tägliche Grenze aufweicht, handelt gegen gesichertes Wissen und unterminiert einen bewährten Schutzstandard.
Die propagierte Verlagerung von einer täglichen zu einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit würde faktisch sehr lange Schichten salonfähig machen – mit absehbaren negativen Folgen für Gesundheit, Sicherheit und Vereinbarkeit. Zugleich widerspricht sie den dokumentierten Wünschen der Beschäftigten: Repräsentative Erhebungen des DGB-Index Gute Arbeit zeigen, dass 98 % der Beschäftigten Arbeitstage über zehn Stunden ablehnen, 72 % maximal acht Stunden am Tag arbeiten wollen und 95 % einen Feierabend bis 18 Uhr bevorzugen. Produktivität entsteht nicht durch Strecken des Arbeitstages, sondern durch ausgeruhte Teams; längere Tage senken am Ende Leistungsfähigkeit und erhöhen Ausfälle. Besonders belastet wären Familien – häufig Frauen –, weil sehr lange Schichten Betreuung und Pflege mit Erwerbsarbeit unvereinbar machen und so Erwerbschancen verschlechtern.
Es fehlt nicht an Flexibilität des Gesetzes, sondern an fairer Anwendung: Schon heute erlaubt das ArbZG zehn Stunden am Tag mit Ausgleich, 60-Stunden-Wochen im Durchschnitt, eine 4-Tage-Woche mit 40 Stunden sowie Ausnahmen in Notfällen; branchenspezifische Lösungen werden tariflich vereinbart. Realitätsproblematisch sind vielmehr das Überstundenaufkommen – über eine Milliarde pro Jahr, mehr als die Hälfte unbezahlt – und betriebliche Blockaden bei Beschäftigtenwünschen. Zudem arbeitet rund die Hälfte der Beschäftigten ohne Tarifvertrag und in viel zu wenigen Betrieben existiert eine starke Interessenvertretung; für diese Mehrheit ist das Arbeitszeitgesetz die zentrale Schutzlinie. Vor diesem Hintergrund wären gesetzliche Aufweichungen ein Rückschritt zulasten derjenigen, die ohnehin die geringsten Durchsetzungsmöglichkeiten haben.
Schließlich schafft klare Rechtslage auch Kontrolle und Fairness: Nach der Rechtsprechung ist die vollständige Arbeitszeiterfassung Pflicht – ein wesentliches Instrument, um Überlastung zu verhindern und Regeln durchzusetzen.
Der Acht-Stunden-Tag schützt Gesundheit, Würde und Planbarkeit, ist volkswirtschaftlich vernünftig und sozial ausgewogen. Wer Flexibilität will, findet sie heute schon – aber mit Mitbestimmung und ohne Preisgabe des täglichen Schutzstandards.
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