Veranstaltung: | SPD Thüringen Landesparteitag 2025 |
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Tagesordnungspunkt: | 8 Antragsberatung und Beschlussfassung |
Antragsteller*in: | AfA Thüringen |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 13.10.2025, 13:11 |
C1: Feministische Arbeitsmarktpolitik
Antragstext
Die SPD Thüringen setzt sich für eine vollumfängliche Umsetzung einer
feministischen Arbeitsmarktpolitik ein. Hierzu zählen in Thüringen insbesondere
folgende konkrete Arbeitsmarktmaßnahmen:
- Unbefristete Verstetigung und flächendeckender Ausbau
derpraxisintegrierten Ausbildung (PiA) sowie Ausbau dieses Angebots an
staatlichen Fachstellen sowie staatlich anerkannten Ersatzschulen
- Erzieher*innen müssen landesweit und vollumfänglich von der PiA Gebrauch
machen können. Denn es entbehrt jeder Logik, dass Ausbildungsberufe, die
den Menschen dienen und – wie in diesem Fall – dafür sorgen, dass Eltern
überhaupt dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, nicht nur grundsätzlich
nicht vergütet werden, sondern Auszubildende dieser Berufe sogar darüber
hinaus Schulgeld zahlen müssen. Insbesondere Frauen sind hierdurch doppelt
benachteiligt. Denn sie sind überproportional in den wichtigen sozialen
Berufen tätig sind UND deutlich häufiger abhängig davon, dass ihre Kinder
gut in Kindertagesstätten betreut werden, damit sie selbst einer
(Vollzeit)Erwerbsarbeit nachgehen können.
- Auszubildenden- und Studierendenwohnheime mit einem (Jugend-
)Schutzkonzept, der insbesondere den Schutz von jungen Frauen und FLINTA-
Personen vorsieht
- Ausbau des Thüringer Bildungsfreistellungsfreistellungsgesetzes:
Ausweitung auf schulisch Auszubildende & einen vollen Anspruch von 5 Tagen
für alle Auszubildenden
Außerdem muss die Gesetzgebung und -umsetzung insgesamt echte und wirksame
Rahmenbedingungen für die Gleichstellung von Frauen am Arbeitsmarkt und im
Privatleben schaffen. Dafür soll unter anderem Checkverfahren – auf Landes- und
Bundesebene eingeführt werden, welches alle geplanten Gesetze, Verordnungen und
Regelungen der Länder oder des Bundes unter gleichstellungspolitischen Aspekten
prüft. Das Instrument des Checkverfahrens, wie es im Übrigen die DGB-Frauen
längst fordern, ist eine Voraussetzung, um Diskriminierungen von Frauen sichtbar
zu machen und sie zu beseitigen.
Neben den landespolitischen Maßnahmen, die die SPD-Thüringen verfolgt, wird sie
sowohl innerhalb der SPD sowie in der Regierung auf Bundesebene eine
feministische Arbeitsmarktpolitik vertreten, aktiv politische Mehrheiten für
dieses Vorhaben gewinnen und auf die Umsetzung folgender Regelungen & Gesetze
hinwirken:
- Stärkung der partnerschaftlichen Verteilung von unbezahlter Sorgearbeit:
- fünfzehntägige vollbezahlte Partnerschaftsfreistellung nach Geburt eines
Kindes
- Erhöhung der Partnermonate in der frühen Familienphase
- Entgeltersatzleistung für Pflegende, die ihre Erwerbstätigkeit kurzfristig
unterbrechen oder längerfristig reduzieren müssen
- Anreize für eine geschlechtergerechte Inanspruchnahme von Pflegezeiten
- Ausweitung und umfangreiche Finanzierung von ganztägigen
Kinderbetreuungseinrichtungen inklusiver auskömmlicher
Personalbemessungsgrenze & der entgeltlichen wie sonstigen Aufwertung der
Sozial- und Erziehungsberufe
- Kinderkrankengeld erweitern:
- Ausgleichszahlung von 100 %
- Langfristig einen Anspruch auf 15 Tage pro Kind & pro Elternteil
(beziehungsweise 30 Tage pro Kind bei Alleinerziehenden)
- Analog zu §9 BurlG soll der Urlaub von Beschäftigten, deren Kinder im
Urlaub erkranken, durch die Vorlage eines entsprechenden ärztlichen
Zeugnisses nicht angerechnet werden (verfallen)
- Stärkung der Tarifbindung mit dem Ziel der flächendeckenden Anwendung von
Tarifverträgen – denn wo Tarifverträge gelten sind die
Verdienstunterschiede zwischen den Geschlechtern geringer & die
Arbeitsbedingungen besser
- geringfügige Beschäftigung muss ab der ersten Arbeitsstunde
sozialversicherungspflichtig werden
- Ausweitung der Mindestausbildungsvergütung auch für Auszubildende in einer
schulischen Berufsausbildung, denn junge Frauen absolvieren deutlich
häufiger eine schulische Ausbildung als junge Männer, die eher eine duale
Berufsausbildung absolvieren.
- Souveräne Arbeitszeitgestaltung:
- Rechtsanspruchs der Beschäftigten auf die Gestaltung der Dauer, Lage und
Rhythmus der vertraglich geregelten Arbeitszeit sowie auf die Wahl des
Arbeitsortes
- Ausweitung des Anwendungsbereichs der Brückenteilzeit, um auch Frauen in
kleinen und Kleinstbetrieben nicht länger vom Recht auf befristete
Teilzeit auszuschließen
- Geschlechtergerechtes Steuerrecht umsetzen:
- Beseitigung der deutlichen steuerlichen Mehrbelastung von
Alleinerziehenden
- ersatzlose Abschaffung des sogenannten Ehegattensplittings, insbesondere
der Möglichkeit der Steuerklassenkombination III/V
- Individualbesteuerung mit übertragbarem Grundfreibetrag
- Ergänzung des Arbeitsschutzgesetzes hinsichtlich der Integration von
Präventionsmaßnahmen gegen Gewalt und sexueller Belästigung am
Arbeitsplatz sowie Verpflichtung der Arbeitgeber*innen ein gewalt- und
belästigungsfreies Arbeitsumfeld zu schaffen
- Umsetzung einer geschlechtergerechten (nicht geschlechterstereotypen)
Arbeitsvermittlung & verstärkte Einbeziehung von Frauen in qualitativ
hochwertige Arbeitsverhältnisse und Maßnahmen sowie Fort- und
Weiterbildungen
Begründung
Begründung:
Die meisten anderen Europäischen Länder sind uns beim Thema Antidiskriminierung von Frauen, Gleichstellung der Geschlechter und feministischer Politik weit voraus. Deutschland ist hinsichtlich dessen im Vergleich zu anderen EU- und OECD-Staaten viel zu oft Schlusslicht. Dies zeigen u.A. Vergleiche der OECD-Länder, wenn es um Fragen der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt, um den Gender-Pay-Gap, um Frauen (oder gar Mütter!) in Führungspositionen, Frauenanteil in den kommunalen sowie Landes- und Bundesparlamenten, der Überzeugung in der Bevölkerung, dass Männer per se bessere politische Führungsqualitäten haben oder Mütter ihren Kindern schaden, wenn sie einer Erwerbsarbeit nachgehen[1].
Unzählige Studien und Fachliteratur ebenso wie Gewerkschaften, der Bundesfrauenrat, wirtschaftsnahe Institute, NGO`s, feministische Netzwerke, Autor*innen usw. weisen auf die noch immer bestehenden vielen Hürden von Frauen auf dem Arbeitsmarkt hin. Um Frauen besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren und ihnen somit ECHTE Möglichkeiten zu geben, finanziell unabhängig zu sein, bedarf es einer ECHTEN GLEICHSTELLUNG von Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Es braucht FAIRE LÖHNE, insbesondere in den sogenannten personennahen Dienstleistungsberufen (Care-Berufen). Sie sind zusammen mit der unbezahlte Care-Arbeit, die ebenfalls noch immer vorrangig Frauen leisten, das Rückgrat unserer Wirtschaft und Gesellschaft. Es braucht außerdem FAIRE ARBEITSBEDINGUNGEN sowie eine deutlich VERBESSERTE VEREINBARKEIT VON FAMILIE & BERUF und einer AUSGEWEITETEN BETRIEBLICHEN MITBESTIMMUNG in Belangen der Arbeitszeitgestaltung.
Zwar müssen die Betriebe & Arbeitgeber viele der genannten Punkte letztendlich umsetzen, doch ist es an der Politik die entsprechenden Rahmenbedingungen für die Gleichstellung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt und im Privatleben zu schaffen. Die deutsche Gesetzgebung orientiert sich jedoch noch immer vorrangig an der Lebens- und Arbeitsrealität (weißer und nicht-migrantischer) Männer.
Dies soll sich durch die SPD & ihrem umfangreichen Hinwirken auf eine klare feministische Arbeitsmarktpolitik, die langfristig allen Menschen unabhängig von Geschlecht dienen wird, ändern.
Als SPD Thüringen zeigen wir mit der Hinwirkung der Umsetzung der o.g. Punkte auf Bundesebene, dass wir die weiter bestehenden Missstände in unserem Sozialstaat, der Frauen derzeit kollektiv benachteiligt und ihre finanzielle Abhängigkeit weiter verfestigt, anerkennen und aktiv dagegen vorgehen. Wir machen deutlich, dass wir nicht nur sehen, wie und wo Frauen diskriminiert werden, sondern wir gehen in die Verantwortung und bauen patriarchale Strukturen – hier im Bereich Arbeitsmarktpolitik – weiter ab. Mit diesen Maßnahmen werden wir unserem Namen „SOZIALdemokratische Partei Deutschlands“ wieder mehr gerecht.
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