Veranstaltung: | SPD Thüringen Landesparteitag 2025 |
---|---|
Tagesordnungspunkt: | 8 Antragsberatung und Beschlussfassung |
Antragsteller*in: | Jusos Thüringen |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 14.10.2025, 09:12 |
C10: Dem Schleifen des Sozialstaats entschlossen entgegentreten, dem Kälte-Kanzler den Kampf ansagen!
Antragstext
Friedrich Merz und seine (C)DU haben den „Herbst der Reformen“ ausgerufen, denn
der Sozialstaat, wie wir ihn heute haben, sei mit dem, was wir
volkswirtschaftlich leisten, angeblich nicht mehr finanzierbar. Laut Millionär
und Kurzstreckenflieger Merz würden wir seit Jahren über unsere Verhältnisse
leben.
„Bullshit!“ sagte Bärbel Bas und wir sagen: “Richtig so!” Der Sozialstaat ist
kein „nice-to-have“, keine Bonusleistung des Staates, sondern eine
verfassungsrechtlich gesicherte Pflicht des Staates und eine der größten
Errungenschaften unserer Gesellschaft. Die SPD kämpft dafür gemeinsam mit den
Gewerkschaften seit Jahrzehnten. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, für den
Erhalt und den Ausbau des Sozialstaats zu streiten. Für uns ist klar: Was wir
uns nicht leisten können, sind 249 Milliardäre, die in Luxus leben, den wir alle
erwirtschaftet haben. Wie sie ruhig schlafen können und meinen, sie hätten ihren
Wohlstand verdient, während fast 3 Millionen Kinder in Deutschland in Armut
aufwachsen, ist uns unverständlich. Diese himmelschreiende Ungerechtigkeit
werden wir niemals akzeptieren.
Wir erleben zunehmend Angriffe auf unsere sozialen Sicherungen: Das Bürgergeld
soll weg, die Lebensarbeitszeit soll verlängert werden und die Rente sollen wir
am Besten nie durch die fortwährende Erhöhung des Eintrittsalters nie erreichen.
Kaum machen Meldungen über den hohen Krankenstand von Arbeitnehmer:innen in
Deutschland die Runde, wittern die Arbeitgeber:innen Morgenluft und fordern eine
Begrenzung der Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall. Arbeit und noch mal mehr
Arbeit gelten als Heilsbringer: Mehr Arbeit soll zu gesellschaftlichem Aufstieg
und wirtschaftlichem Wachstum führen. An der aktuellen wirtschaftlichen Flaute
seien wir alle schuld, weil wir schlichtweg zu wenig leisten würden. Ein Blick
auf die Zahlen allerdings zeigt, um bei Bärbel Bas zu bleiben: Das ist Bullshit!
In Deutschland wird so viel gearbeitet wie noch nie. Derzeit sind rund 46
Millionen Menschen in Deutschland erwerbstätig - ein Höchststand seit der
Wiedervereinigung.
Und auch wenn Bärbel Bas den Vorschlägen des Kanzlers, den Sozialstaat zu
kürzen, zunächst eine Absage erteilt, kündigt sie eine weitere Nullrunde im
Bürgergeld und härtere Sanktionen für Bürgergeldempfänger:innen an. Damit gibt
sie Wasser auf die Mühlen der Reaktionären und Rechten, von AfD, CDU und FDP,
die fernab von Fakten immer wieder den Sozialneid schüren: Das Bürgergeld sei
viel zu hoch, würde Zuwanderung anlocken, Faulheit belohnen, Arbeit unattraktiv
machen. Angeblich würden die Kürzungen der Bezüge im Bürgergeld ein erhebliches
Sparpotenzial darstellen – ein Blick in den Haushalt dagegen zeigt: Die Ausgaben
für das Bürgergeld stellen lediglich sieben Prozent des Haushalts dar. Um es mit
Bärbel Bas’ Worten zu sagen: Auch die Nullrunde im Bürgergeld ist schlichtweg:
Bullshit!
Anfang 2026 soll die „Neue Grundsicherung“ in Kraft treten, bei der die Rückkehr
zum „Vermittlungsvorrang“ im Fokus stehen soll. Erwerbslose sollen
schnellstmöglich wieder auf den Arbeitsmarkt zurückkehren, anstatt zielgerichtet
und nachhaltig weitergebildet und dann erst vermittelt zu werden. Die zu
befürchteten „Drehtüreffekte“ von kurzfristiger Beschäftigung und
darauffolgender Erwerbslosigkeit im Wechsel werden ausgeblendet, denn „auch
einfache Tätigkeiten können ein Sprungbrett sein“, so die Arbeitsministerin - in
der Realität sind sie es aber oft nicht. Denn sobald die “einfache Tätigkeit“
wegautomatisiert oder weggekürzt wird, steht die Person wieder vor dem Nichts.
Um den Vermittlungsvorrang durchzusetzen, sollen die Sanktionen drastisch
verschärft werden. Wer wiederholt „zumutbare Arbeit“ verweigert, soll das
Bürgergeld weitestgehend gestrichen bekommen. Ausgenommen davon sind nur die
Kosten für Unterkunft und Heizung. Das ist ebenfalls schlichtweg Bullshit, sogar
verfassungswidriger Bullshit! Denn dieser Ansatz steht im Widerspruch zu den vom
Bundesverfassungsgericht 2019 als verfassungswidrig verurteilten
Leistungskürzungen um mehr als 30 Prozent.
- Die geplante “neue Grundsicherung” lehnen wir entschieden ab. Als SPD
sagen wir klar: Wir wollen eine sanktionsfreie Grundsicherung, die allen
Menschen echte Sicherheit gibt, indem sie Armut zuverlässig verhindert.
Grundsicherung bedeutet für uns nicht bloß Existenzminimum, sondern ein
selbstbestimmtes Leben mit gesellschaftlicher Teilhabe.
- Statt der Wiederbelebung des Vermittlungsvorrangs fordern wir die
Bundesregierung dazu auf, die nachhaltige Qualifizierung der
Leistungsbeziehenden und einen Umgang auf Augenhöhe in den Mittelpunkt der
Vermittlung zu stellen, um eine reelle Chance auf eine Reintegration in
den Arbeitsmarkt zu gewährleisten anstatt eine Vermittlung um jeden Preis
zu forcieren.
- Wir fordern die Bundesregierung und insbesondere Vertreter:innen der SPD
in der Regierung sowie die Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion dazu auf,
die Einführung von Totalsanktionen zu verhindern und diesen eine klare
Absage zu erteilen!
- Wir fordern außerdem endlich die Einführung einer echten
Kindergrundsicherung! Mit dem Scheitern der Ampel-Koalition scheiterten
auch die längst verabredeten Bestrebungen, eine Kindergrundsicherung zu
schaffen, die diesen Namen verdient. Wir fordern deswegen die SPD-
Bundestagsfraktion dazu auf, sich für die Einführung einer
Kindergrundsicherung einzusetzen! Kinder müssen konsequent aus der
elterlichen Grundsicherung herausgelöst werden. Sie dürfen nicht länger
Teil der Bedarfsgemeinschaften sein. Kinder haben ein eigenes Recht auf
soziale Sicherheit, unabhängig von den Lebensumständen ihrer Eltern. Diese
Grundsicherung muss armutsfest sein, Teilhabe garantieren und allen
Kindern einen guten Start ermöglichen. Kinderarmut ist kein Zufall,
sondern das Ergebnis eines ungerechten Systems, das sozioökonomische
Ungleichheit von Generation zu Generation weitergibt. In einem der
reichsten Länder der Welt lebt jedes fünfte Kind in Armut. Wir sagen klar:
Armut darf nicht vererbt werden. Es darf nicht länger sein, dass reiche
Familien über Kinderfreibeträge privilegiert werden, während arme Kinder
mit zu wenig abgespeist werden. Wir wollen die Streichung der
Kinderfreibeträge und fordern stattdessen eine solidarische Finanzierung
der Kindergrundsicherung. Unser Ziel ist eine Gesellschaft, in der
Herkunft nicht über die eigene Zukunft entscheidet. Dafür ist die
Einführung einer Kindergrundsicherung für uns der entscheidende Schritt.
80 Prozent der Menschen im Bürgergeld macht es Angst, wie Politiker:innen
derzeit über sie sprechen. Nicht mal jede:r Zehnte von ihnen hat das Gefühl,
Politiker:innen hätten ein realistisches Bild davon, wie es ihnen geht. In der
Realität verzichten mehr als die Hälfte der Leistungsbeziehenden selbst auf
Essen, um ihre Kinder besser ernähren zu können.
Die gesellschaftliche Debatte findet aber fernab von dieser Realität, dem
täglichen Verzicht, der psychischen Belastung, der Angst und der Scham, der
Stigmatisierung und den schlechten Erwerbsaussichten statt. Sie zielt
stattdessen auf die sogenannten “Totalverweigerer” und Leistungsmissbrauch ab.
Auch Bärbel Bas spricht von „mafiösen Strukturen“, die es zu „zerschlagen“
gelte. Dabei gibt es keine Datengrundlage, die den behaupteten organisierten
Sozialleistungsbetrug als strukturelles Problem belegt. Der Anteil der
sogenannten “Totalverweigerer” beläuft sich auf etwa 14.000 Menschen. Aktuell
beziehen in Deutschland 5,5 Millionen Menschen Bürgergeld, darunter Kinder und
Jugendliche, Kranke und Pflegende, Erziehende und Arbeitende, die durch das
Bürgergeld ihren geringen Lohn aufstocken. Der Anteil der sogenannten
“Totalverweigerer” ist mit 0,25 Prozent der Leistungsbeziehenden verschwindend
gering. Aus einer kleinen Anfrage an die Bundesregierung ging außerdem hervor,
dass es im letzten Jahr etwa 421 Fälle von „bandenmäßigen Leistungsmissbrauch“
gab - das entspricht 0,008 Prozent der Leistungsbeziehenden. Anstatt das Märchen
des Sozialbetrugs weiter zu befeuern, müssen wir das Augenmerk auf den
tatsächlich stattfindenden systematischen Missbrauch unseres Systems richten:
der Kampf gegen Steuervermeidungsstrategien von Vermögenden, die Bekämpfung der
Cum-Ex-Geschäfte oder die leichte Vermeidbarkeit der Erbschaftsteuer sind gute
Ausgangspunkte. Diese fehlgeleitete Debatte ist politisches und
gesellschaftliches Gift. Sie schürt Misstrauen, versucht Kürzungen bis unter das
Existenzminimum zu rechtfertigen und delegitimiert Menschengruppen und ist
Ausdruck eines grundlegenden Systemversagens.
Alles für Alle, Alle für Alle!
Wir stellen uns entschieden gegen eine Gesellschaft, in der das Recht des
Stärkeren gilt und jede:r gezwungen ist, nur für sich selbst zu kämpfen. Unser
Ziel ist eine solidarische Gesellschaft, in der Menschen füreinander
Verantwortung übernehmen. Die Starken dürfen aufgrund ihrer Privilegien oder aus
Bequemlichkeit und Gewohnheit nicht noch weiter entlastet werden. Sie müssen
mehr Verantwortung tragen und jenen zur Seite stehen, die Unterstützung
brauchen.
Solidarität ist für uns kein leeres Wort, sondern der Kern eines gerechten
Sozialstaats. Ein solcher Staat darf niemanden stigmatisieren, sondern muss
allen auf Augenhöhe begegnen und verlässlich dafür sorgen, dass niemand in
Armut, Ausgrenzung oder Existenzangst leben muss.
Wir wissen: Die Realität, in der wir leben, steht dem diametral entgegen. Das
kapitalistische System produziert systematisch Ungleichheit, grenzt Menschen aus
und spaltet unsere Gesellschaft immer tiefer. Unser Verständnis des Sozialstaats
ist deshalb mehr als nur ein Reparaturbetrieb - er ist ein Werkzeug, um mit den
ausbeuterischen Logiken des Kapitalismus zu brechen.
Ein echter Sozialstaat ist keine Option, sondern eine Garantie. Er muss allen
Menschen in jeder Lebenslage ein Leben in Würde und tatsächlicher Freiheit
sichern. Das heißt: nicht nur Risiken abfedern, sondern echte Chancen auf
selbstbestimmte Lebensgestaltung eröffnen. Selbst wenn man scheitert, darf das
nicht den Absturz ins Bodenlose bedeuten.
Darum gilt für uns als Partei: Ob Jobverlust, Krankheit oder jede andere
Veränderung des eigenen Lebens – niemand darf durchs Netz und unter das
Existenzminimum fallen. Ein Sozialstaat, der diesen Namen verdient, sorgt dafür,
dass niemand gezwungen ist, in Angst, Armut oder Abhängigkeit zu leben.
- Statt in den Chor der Angriffe der CDU auf den Sozialstaat und seiner
Leistungen mit einzusteigen, muss die SPD den Sozialstaat und das System
der sozialen Sicherung verteidigen! Kürzungen der öffentlichen
Daseinsvorsorge und Sozialabbau dürfen niemals die Antwort sein! Wir
fordern deswegen alle Mitglieder der Bundesregierung, der
Bundestagsfraktion und der SPD - Landtagsfraktionen dazu auf, sich an
dieser Scheindebatte nicht zu beteiligen, sondern eine faktenbasierte
Debatte zu führen. Die SPD muss gegen die drohende Deregulierung, der
Schwächungen von Arbeitnehmer:innenrechten und Gewerkschaften eintreten!
- Wir müssen die Sozialversicherungen zu solidarischen Bürgerversicherungen
ausbauen! Die jetzigen Sozialversicherungen sind ein Flickenteppich, der
soziale Ungleichheit zementiert: Wohlhabende kaufen sich mit privaten
Zusatzversicherungen aus der Solidarität frei, während prekär Beschäftigte
und Erwerbslose die Lasten des Systems schultern. Nur mit einer
solidarischen Bürgerversicherung, in die alle unabhängig von
Erwerbsstatus, Einkommen oder Lebenslage einzahlen und den gleichen
Anspruch auf Absicherung erhalten, können wir dieses Klassensystem
aufbrechen. Die Beitragsbemessungsgrenzen sind nichts anderes als ein
Schutzschild für Reiche und gehören abgeschafft. Wer mehr verdient, trägt
auch mehr Verantwortung. Unser Ziel ist ein System, das konsequent
solidarisch ist, das Privilegien der Besserverdienenden beseitigt und
soziale Sicherheit als gesellschaftliches Recht verankert - nicht als
Marktprodukt für die, die es sich leisten können.
- Wir müssen die Arbeitslosenversicherung neu denken! Arbeitslosigkeit ist
kein individuelles Versagen, sondern die direkte Folge eines
kapitalistischen Systems, das Menschen nach Profitlogik verwertet und
aussortiert. Wer in diesem System ohne Arbeit bleibt, wird stigmatisiert
und in die Armut gedrängt - genau das wollen wir beenden. Deshalb fordern
wir eine Jobgarantie. Wir fordern die gesetzliche Verankerung des Rechts,
jederzeit in Arbeit kommen zu können. Niemand darf mehr von der
Arbeitslosenversicherung in die Grundsicherung durchgereicht werden. Der
soziale Arbeitsmarkt und gezielte öffentliche Förderung müssen
sicherstellen, dass Erwerbstätigkeit verfügbar ist – nicht nur für die
„Verwertbaren“, sondern für alle.
- Wir müssen die Rente endlich armutsfest machen! Die neoliberale
Rentenpolitik der letzten Jahrzehnte hat die Rente zu einem Spielball der
Finanzmärkte gemacht: Beitragskürzungen, Privatisierung und das Auslagern
von Verantwortung auf kapitalgedeckte Modelle. Das Ergebnis heißt
Altersarmut. Damit muss Schluss sein. Eine solidarische Gesellschaft
garantiert ein gutes Leben auch im Alter. Deswegen müssen wir das
Rentenniveau bei mindestens 53 Prozent stabilisieren und konsequent an die
Lohnentwicklung koppeln. Wer mehr verdient, muss endlich auch mehr
beitragen: Die Beitragsbemessungsgrenzen sind Privilegien für Reiche und
gehören abgeschafft. Gleichzeitig deckeln wir die maximal erreichbaren
Entgeltpunkte und führen so eine Maximalrente ein, die Exzesse nach oben
verhindert. Altersabsicherung ist kein Spielplatz für Luxus, sondern ein
Schutz vor Armut. Versicherungsfremde Leistungen – Grundrente, Mütterrente
und andere – müssen vollständig steuerfinanziert sein. Steuerzuschüsse
sind für uns unverzichtbar, um die Rente armutsfest zu machen.
Rentenpolitik darf nicht länger ein Instrument sozialer Spaltung sein.
Deshalb müssen wir die gesetzliche Rentenversicherung zu einer echten
Bürgerversicherung ausbauen: Selbstständige, Beamt:innen und alle
Erwerbstätigen zahlen ein. So verbreitern wir die Basis, schaffen
Gerechtigkeit und sichern das Solidaritätssystem. Gleichzeitig garantieren
wir mit einer Mindestrente ohne Bedürftigkeitsprüfung, dass niemand im
Alter ins Elend fällt - egal ob durch prekäre Beschäftigung, Befristungen
oder Erwerbslücken. Altersarmut ist politisch gemacht - damit muss Schluss
sein!
- Wir erkennen an, dass unser Sozialsystem Lücken aufweist, die es zu
schließen gilt. Das System ist in seiner aktuellen Form nicht
zukunftsfähig, um den großen bevorstehenden Transformationen, wie dem
demographischen Wandel, trotzen zu können. Wir müssen auf diese Fragen
soziale und gerechte Antworten finden, die nicht darin bestehen, dass
Leistungsniveaus gekürzt werden. Insbesondere die
Generationengerechtigkeit darf dabei nicht unbeachtet bleiben.
Wir Jusos sind überzeugt: Die Sozialdemokratie muss stets an der Seite der
Schwächsten stehen. Unsere Partei ist aus dem Kampf um Augenhöhe zwischen
Arbeiter:innen und Arbeitgebenden gewachsen, um Machtungleichheiten und
Abhängigkeiten aufzubrechen, ein Leben in Freiheit und Sicherheit zu ermöglichen
und den kapitalistischen Verwertungslogiken den Kampf anzusagen. Unseren
Grundwerten liegt ein humanistisches Weltbild zu Grunde, in dem der Mensch
seinen Wert nicht erarbeiten muss, sondern ihn qua Geburt hat und ihn behält –
egal, ob er dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht oder nicht. Weil wir der festen
Überzeugung sind: der Wert eines Menschen darf niemals an Bedingungen geknüpft
sein!
Das Treten nach unten nutzt nur den Rechten! Deswegen: her mit der Systemfrage!
Bürgergeldbeziehende werden zu Sündenböcke für die anhaltende Wirtschaftsflaute
gemacht. Anstatt das Vermögen der Reichen anzufassen, wälzt die Bundesregierung
die Verantwortung für die fehlenden Haushaltsmittel auf Erwerbslose ab. Dabei
sind die Einsparungen beim Bürgergeld nicht nur aus ökonomischen und moralischen
Gründen fragwürdig. Es werden vor allem zwei Gruppen fälschlicherweise
gegeneinander ausgespielt: Arbeitnehmende und Erwerbslose. Durch die geplante
stärkere Bestrafung von Erwerbslosigkeit und die zunehmende soziale Ächtung von
Betroffenen, werden konkrete Abstiegsängste geschürt, die die Abhängigkeiten der
Arbeitnehmenden zu Arbeitgebenden erhöhen, Jobverlustängste befeuern, Akzeptanz
von schlechten Arbeitsbedingungen erhöhen und so das Leben der Menschen
verschlechtern. Dagegen vermehren Reiche weiterhin unbekümmert ihr Geld. So darf
das nicht bleiben! Statt das Treten nach unten zu befeuern, muss die
Sozialdemokratie endlich die Systemfrage stellen! Es kann nicht sein, dass die
reichsten 10 Prozent den Großteil des privaten Vermögens besitzen, während 20%
der Bevölkerung kein oder sogar negatives Vermögen haben. In kaum einem anderen
europäischen Land sind die Vermögen so ungleich verteilt wie in Deutschland.
Diese Ungleichheit hilft vor allem rechten Parteien zum Wahlerfolg, die SPD hat
hier eine Lücke gelassen, die es zu schließen gilt. Die SPD muss sich der
Aufgabe annehmen, die Verteilungsfrage und die Bekämpfung der Ungleichheiten in
unserem Land wieder zu ihrer Aufgabe zu machen. Weil es nie dringender war, die
Ungleichheit endlich zu bekämpfen. Die Erzählung, dass es für echte linke
Politik keine Mehrheit in der Gesellschaft gäbe, ist falsch. So nehmen viele der
“neuen” AfD-Wähler:innen in wirtschaftspolitischen Fragen linke Positionen ein,
fordern eine Verringerung der Ungleichheit und einen höheren Mindestlohn. Die
AfD mobilisiert erfolgreich mit Ängsten und sozialer Verunsicherung. Diese
beruhen vor allem auf der Erfahrung von Wohlstandsverlusten, wie zur Zeit der
sogenannten Wende oder etwa durch plötzliche hohe Inflation. Diese Ereignisse
haben Zukunftsängste real werden lassen und die Schwäche der sozialen
Sicherungssysteme offenbart. Insbesondere die Transformationsprozesse, wie der
sozial-ökologische Wandeln, die Dekarbonisierung und die Digitalisierung, werden
als Bedrohung des eigenen Status quo verstanden. Transformationsängste sind
Brandbeschleuniger für die Stimmungsmache von rechtsaußen. Es ist deswegen
unsere Aufgabe als Jungsozialist:innen und Teil der Sozialdemokratie, einen
positiven demokratischen Zukunftsentwurf zu entwerfen, in dem die
sozioökonomische Absicherung insbesonderer derjenigen, die vom Wandel des
Arbeitsmarktes betroffen sind, in den Mittelpunkt gestellt wird.
- Wir dürfen nicht länger nur über die Erhöhung der Erbschaftssteuern
sprechen, sondern müssen es endlich machen. Während jede achte Erbschaft
vermögenslos ist, geht die Hälfte des gesamten Erbschaftsvolumen an die
oberen zehn Prozent. Erbschaften verstärken die absolute Ungleichheit
enorm: Personen mit größerem kulturellem und ökonomischem Kapital haben
höhere Erbchancen und erhalten höhere Erbsummen. Ein ganz erheblicher
Unterschied zeichnet sich vor allem zwischen Ost- und Westdeutschland ab.
Mit 33 Prozent ist die Erbquote deutlich geringer als in Westdeutschland,
wo sie bei 49 Prozent liegt. Jetzt, wenn sogar Jens Spahn bestehenden
Vermögensungleichheiten in unserem Land und die Notwendigkeit der Reform
der Erbschaftssteuer erkannt hat, fordern wir die SPD-Bundestagsfraktion
dazu auf, schnellstmöglich einen entsprechenden Gesetzentwurf in den
Bundestag einzubringen, bevor Jens Spahn links an der SPD vorbeizieht.
- Wir fordern die Wiedereinführung der Vermögenssteuer! Große Vermögen sind
kein privates Spielgeld, sondern gesellschaftlich geschaffene Reichtümer -
und sie müssen auch der Gesellschaft zugutekommen. Die Vermögenssteuer ist
für uns ein wichtiges Gerechtigkeitswerkzeug. Während Beschäftigte und
Erwerbslose jeden Euro versteuern, werden Milliardenvermögen unangetastet
gehortet. Damit muss Schluss sein: Dieser Reichtum muss endlich umverteilt
werden!
Klar ist: es besteht ein Haushaltsloch von etwa 30 Milliarden Euro im Haushalt
für 2027, das geschlossen werden muss. Dies wurzelt vor allem auf den höheren
Zinskosten der kriegsbedingten Staatsverschuldungen, etwa um der Corona-Pandemie
und der Energiekrise zu begegnen, sowie den steigenden Zinssätzen. Die
Zinskosten steigen bis 2029 um über 32 Milliarden Euro. Dazu kommt eine geplante
Schuldentilgung von 9 Milliarden Euro, insgesamt 41 Milliarden Euro. Das stellt
mehr als die Hälfte der Haushaltslücke von 74 Milliarden Euro in diesem Jahr
dar. Ein wesentlicher Teil der Haushaltslücke ergibt sich damit aus den Zins-
und Tilgungskosten der aufgenommenen Kredite. Dazu kommen die Ausgaben für
verteidigungspolitische und infrastrukturelle Sondervermögen. Das Problem liegt
also nicht in einem aufgeblasenen und überbordenden Sozialstaat, sondern
vielmehr in der Bewältigung der Krisen der letzten Jahre und der
Herausforderungen der Zukunft.
Vor diesem Hintergrund ist es keine Option diese Lasten durch Leistungskürzungen
bei der breiten Bevölkerung und insbesondere bei denjenigen Menschen, die
besonderes vom Sozialstaat abhängig sind, abzuladen, während Wohlhabende und
Einkommensstarke von diesen Maßnahmen nicht betroffen und durch die
Unternehmenssteuersenkung sogar entlastet werden.
- Deswegen fordern wir die Erhebung eines Krisen-Solidaritätszuschlags zur
Einkommens- und Körperschaftssteuer für die reichsten zehn Prozent unserer
Bevölkerung! Dieser könnte schnell und unbürokratisch erhoben und an sich
gegebenenfalls ändernde Bedarfe angepasst werden. Die Lasten der Krisen
unserer Zeit müssen solidarisch von den starken Schultern getragen werden,
anstatt die Kettensäge an den Sozialstaat anzulegen!
- Gerade in Zeiten der Krise haben viele Unternehmen ihre Profite massiv
gesteigert. Energie- und Rüstungskonzerne, aber auch zahlreiche andere
Branchen, haben die allgemeine Inflation genutzt, um Preise weit über das
Notwendige hinaus zu erhöhen und so ihre Gewinne auf Kosten der
Verbraucher:innen zu maximieren. Diese Gewinn-Preis-Spirale hat die
ohnehin steigenden Lebenshaltungskosten zusätzlich verschärft. Wir sagen
klar: Diese Bereicherung auf dem Rücken der ökonomisch Schwachen darf
nicht hingenommen werden. Übergewinne müssen abgeschöpft und zur
Finanzierung der Krisenkosten herangezogen werden. Unser Ziel ist eine
effektive Übergewinnsteuer, die die krisenbedingten Extraprofite
abschöpft. Wir begrüßen eine einheitliche europäische Lösung, die
rückwirkend für das Jahr 2022 gilt. Sollte diese jedoch unzureichend sein,
sei es durch fehlende Rückwirkung, die Auslassung bestimmter Branchen oder
eine zu geringe Höhe, muss sie durch eine konsequente bundesrechtliche
Regelung ergänzt werden. Darüber hinaus braucht es ein verschärftes
Kartellrecht, das es ermöglicht, Konzerne bei der Ausnutzung von
Marktmacht auch tatsächlich zu zerschlagen. Gewinne von
Kapitalgesellschaften müssen zusätzlich stärker und progressiv besteuert
werden. Denn in einer solidarischen Gesellschaft darf Profitgier nicht
belohnt werden, sondern muss demokratisch eingehegt werden.
Kommentare