Veranstaltung: | SPD Thüringen Landesparteitag 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 12 Antragsberatung und -beschlussfassung |
Antragsteller*in: | Geschäftsführender Landesvorstand |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 13.11.2024, 15:05 |
INI1: Für eine SPD mit klarer Haltung, kampagnenfähigen Strukturen und dem Willen zum Erfolg!
Antragstext
Das Ergebnis der Thüringer Landtagswahl ist Ausdruck einer Vertrauenskrise in
die Wirkmächtigkeit linker Politik und der SPD. Die Gerechtigkeitsfrage wurde
nicht durch die ungleiche Verteilung von Vermögen definiert, sondern durch
vermeintlich zu hohen Transferleistungen für Bürgergeldempfängerinnen und -
empfänger oder Migrantinnen und Migranten. Die Konservativen und Populisten
schürten Sozialneid spielten die Schwächsten gegeneinander aus. Unsere Strategie
der Landtagswahlkampagne, dem rechten Narrativ konkrete sozialdemokratische
Versprechen für die arbeitende Mitte bzw. die Leistungsträger unserer
Gesellschaft entgegenzusetzen, war nicht erfolgreich.
Die Zerstrittenheit der Ampel, handwerkliche Fehler im Regierungshandeln,
unabgestimmte Parteivorstandsbeschlüsse und geopolitische Themen, wie den
russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und der Umgang der Koalition mit
Zuwanderung haben eine Durchdringung mit landespolitischen Themen, fernab der
gesetzten Narrative, nahezu unmöglich gemacht. Die bundespolitische
Stimmungslage hat sich in einem regelrechten Abstrafen der Ampelparteien in der
Landtagswahl gezeigt.
Das politische Narrativ eines ausgeprägten Nationalismus als Wohlstandsgarant
und eines (im Besonderen linken) abgehobenen politischen Establishments hat sich
bis tief in die bürgerliche Mitte über alle Altersschichten hinweg durchgesetzt.
Die rot-rot-grüne Minderheitenkoalition wurde bei vielen Bürgerinnen und Bürgern
nicht durch ihre politische Erfolge wahrgenommen, sondern allein in ihrer
Abgrenzung zur AfD. Ihr hat die Kraft gefehlt, ein eigenes erstrebenswertes
politisches Narrativ zu setzen. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
haben uns der Bequemlichkeit der Gesamtwahrnehmung eines linken Bündnisses
hingegeben. Zu selten sind wir als eigenständige politische Kraft mit
wahrnehmbaren inhaltlichen Haltelinien aufgetreten. Mit der Zuständigkeit für
Wirtschaft, Inneres und Finanzen haben wir zwar wesentlich zum Funktionieren der
Minderheitsregierung beigetragen, eine inhaltliche Profilierung in den
sozialdemokratischen Kernthemen Arbeit, Soziales und Bildung war dadurch jedoch
erschwert. Stattdessen wurden wir für auch für Fehler der Koalitionspartner in
die Mithaft genommen.
Wir wissen auch, dass ein wesentlicher Grund, warum wir wieder im Landtag
vertreten sind, der Wunsch der Thüringerinnen und Thüringer nach einer stabilen
Regierungsmehrheit war. Die Koalitionsfähigkeit der SPD hat als
Funktionsargument überzeugt.
Der Landesvorstand wird einen Aufarbeitungs- und Analyseprozess unseres
Landtagswahlergebnisses mit Input und Hilfe von allen Ebenen der Partei und
externer wissenschaftlicher Beobachtung im ersten Halbjahr 2025 abschließen und
gemeinsam mit Kreisverbänden, Landesvorstand und Landesparteirat
Schlussfolgerungen ableiten.
Überzeugung überzeugt
Die SPD muss Meinungsführerschaft und Deutungshoheit über Themen und
Problemlösungen zurückerlangen. Dafür braucht es ein eigenes
sozialdemokratisches Zukunftsbild und einen unverwechselbaren politischen
Handwerkskoffer. Politische Relevanz entsteht nicht mit dem Abschreiben
vermeintlich populärer Positionen anderer Parteien, sondern im
gesellschaftlichen Diskurs eigener Positionen. Positionen sind dann glaubwürdig,
wenn sie einer eigenen Haltung und Überzeugung entspringen und sich nicht von
anderen ableiten.
Wir brauchen den Mut und das Durchhaltevermögen gesellschaftliche Debatten zu
führen und den Willen, diese auch für uns zu entscheiden. Wir brauchen eine
tiefe eigene politische Überzeugung, um andere zu überzeugen. Wir müssen den
Anspruch haben, linke gesellschaftliche Debatten anzuführen und aufs Wesentliche
zu fokussieren.
Die SPD ist kompromisslos die Partei der sozialen Gerechtigkeit. Soziale
Gerechtigkeit ist die Voraussetzung für unsere Demokratie und die Klammer, die
unsere Gesellschaft zusammenhält. Es ist unerklärbar, warum Menschen in
Ostdeutschland weniger verdienen, mehr arbeiten und am Ende in die Altersarmut
abrutschen.
Die SPD ist die Partei des gesellschaftlichen Aufstiegs. Chancengleichheit in
der Bildungspolitik ist für uns Voraussetzung für eine gute Zukunft. Der Zugang
zum Kindergarten darf nicht zum Kostenfaktor werden und längeres gemeinsames
Lernen in der Gemeinschaftsschule muss zur Regelschule Thüringens werden. Wir
wollen den Erfolg von allen Kindern sicherstellen.
Die SPD ist eine Fortschrittspartei. Fortschritt ist da, wo es das Leben besser,
einfacher und freier macht. Technischer Fortschritt ist die Grundlage, für die
Dekarbonisierung unseres Lebens und dem Erhalt unserer Umwelt.
Gesellschaftlicher Fortschritt ist für uns da, wo Gleichberechtigung und Respekt
gelebt werden.
Im nächsten Jahr wird der SPD-Landesvorstand einen Dialogprozess initialisieren,
um mit gesellschaftlichen Akteuren über die Themen soziale Sicherheit, gerechte
Bildung, respektvolle Pflege und gute Arbeit in Thüringen zu sprechen und
Positionspapiere auszuarbeiten, um in eine breite politische Debatte
einzutreten.
Kampagnenfähigkeit herstellen, Strukturen anpassen
In den nächsten zwei Jahren müssen wir der Debatte und der inhaltlichen
Diskussion innerhalb unserer Partei mehr Raumgeben. Es mangelt nicht an Gremien,
Arbeitsgemeinschaften und Orten für diese Diskussion. Vielmehr erhalten wir uns
Strukturen, ohne klare inhaltliche Erwartungshaltung. Die SPD Thüringen hat den
größten Landesvorstand aller im Landtag vertretenen Parteien und den größten
Landesparteitag. Wir tragen fünfstellige Kosten für Messehallen aber können kaum
unsere Bürostrukturen vor Ort erhalten. Diese Unwucht an Ausgaben müssen wir
schnellstmöglich beenden.
Für den nächsten Landesparteitag wird der Landesvorstand beauftragt, einen
Beschlussvorschlag vorzulegen, der unsere Gremien einer Aufgabenkritik
unterzieht, die Anzahl der Delegierten des Landesparteitages verringert und
ebenso den Landesvorstand verkleinert.
Gemeinsam müssen wir auch unsere Strukturen vor Ort kampagnenfähiger aufstellen.
Viele unserer Kreisverbände sind in einer Kleinteiligkeit von Ortsvereinen
organisiert, die nicht der Anzahl an Mitgliedern entsprechen. Oftmals findet nur
noch Parteienbürokratie in Form von Webkasse, Rechenschaftsbericht und der
angemahnten Durchführung von Wahlen in diesen Ortsvereinen statt. Wichtige
finanzielle Mittel zur politischen Arbeit der Kreisverbände bleiben in diesen
Ortsvereinen gebunden.
Die Landesgeschäftsstelle ernennt einen Kreisverbandsbeauftragten, der gemeinsam
mit den Kreisverbänden Strukturen überprüft und bei der Zusammenlegung von
Ortsvereinen unterstützt.
Im Osten gewinnt man Bundestagswahlen
Olaf Scholz hat aus Haltung und Kenntnis über die Herausforderungen des Landes
und der folgerichtigen Entlassung seines Finanzministers dafür gesorgt, dass die
Bürger in einer vorgezogenen Bundestagswahl darüber entscheiden, ob die
Priorität einer Bundesregierung künftig in der schwarzen null des
Bundeshaushalts oder dem sozialen Zusammenhalt, der Sicherung von
Industriearbeitsplätzen und der langfristigen Sicherung des Friedens in Europa
liegt.
Hinter einer Rhetorik von Wachstumsversprechungen durch
Unternehmenssteuersenkungen verstecken Merz und Lindner einen massiven Abbau von
Sozialleistungen. Die Kürzung der Rente durch die Erhöhung des
Renteneintrittsalters, hat sich die CDU in ihr Grundsatzprogramm geschrieben und
mit der Kürzung oder Abschaffung des Bürgergelds, versucht sie eine neue Spirale
des Lohndumpings zu öffnen. Sie senkt die Handlungsfähigkeit des Staates durch
Steuergeschenke und verhindert wichtige Investitionen in neue Technologien und
Arbeitsplätze.
Diese Politik schadet besonders den Bürgerinnen und Bürgern in Ostdeutschland.
Ostdeutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verdienen ca. 820 Euro brutto im
Monat weniger als ihre westdeutschen Kolleginnen und Kollegen. Die Folge dieser
Ungerechtigkeit sind geringere Renten und Altersarmut.
Wer den sozialen Zusammenhalt in unserem Land und damit unsere Demokratie nicht
gefährden will, muss SPD wählen. Wir Thüringer Sozialdemokratinnen und
Sozialdemokraten werden gemeinsam mit unseren Kandidatinnen und Kandidaten einen
erfolgreichen Wahlkampf bestreiten. Wir kämpfen um jedes Direktmandat, für eine
starke SPD, die für unsere Thüringer Interessen im Bundestag kämpft.
2029 fest im Blick!
Unser Erfolg hängt von uns selbst ab. Er definiert sich nicht über eine mögliche
Koalition, Opposition oder Regierung. Wir müssen unser Landtagswahlergebnis
weiter aufarbeiten, um aus Fehlern zu lernen. Das darf aber nicht Ausrede für
Zurückhaltung oder fehlendes Agieren sein. Unsere sechs Landtagsabgeordneten und
mögliche Ministerinnen Und Minister sind ständige Kämpfer und Botschafter für
unsere Partei. Sie sind Vorbild für über 3.400 ehrenamtliche Mitglieder.
Gemeinsam mit Landesvorstand, Kreisverbänden, Ortsvereinen,
Bundestagsabgeordneten und kommunalen Mandatsträgern, werden wir die Mission
erfolgreich für Thüringen und die SPD bestreiten.
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