Veranstaltung: | SPD Thüringen Landesparteitag 2024 |
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Tagesordnungspunkt: | 12 Antragsberatung und -beschlussfassung |
Antragsteller*in: | Carl-Christian Dressel |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 16.11.2024, 08:48 |
INI2: Demokratie verteidigen – Verfassungsmäßigkeit der AfD überprüfen – AfD-Verbotsverfahren jetzt!
Antragstext
Die SPD Thüringen fordert die Bundestagsabgeordneten aller Parteien des
demokratischen Spektrums auf, den von über 100 Abgeordneten aus der Mitte des
Bundestages initiierten Antrag auf Durchführung eines Verbotsverfahrens vor dem
Bundesverfassungsgericht zu unterstützen.
Begründung
Vor wenigen Tagen haben über 100 Bundestagsabgeordnete aus verschiedenen Parteien einen
Antrag bei der Bundestagspräsidentin eingereicht mit dem Ziel, die Verfassungsmäßigkeit der
AfD durch das Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen. Dieser wichtige Antrag bedarf
breiter Unterstützung über Parteigrenzen hinweg:
I. Am 5. November 2024 ließ die Bundesanwaltschaft acht mutmaßliche Mitglieder der Gruppie-
rung „Sächsische Separatisten“ festnehmen. Es bestehe dringender Tatverdacht der Mitglied-
schaft in einer terroristischen Vereinigung. Die Gruppierung propagierte rassistische, anti-
semitische und apokalyptische Ideologien und planten, mit Gewalt Gebiete in Sachsen und
anderen ostdeutschen Ländern zu erobern, um ein am Nationalsozialismus orientiertes Staats-
und Gesellschaftssystem zu errichten. Außerdem seien als letztes Mittel „ethnische Säube-
rungen“ vorgesehen gewesen. Diese Säuberungen sollten Juden und Migranten betreffen, wobei
die Mitglieder von einem „Holocaust“ sprachen, der unweigerlich viele Tote mit sich bringen
werde. Sie bereiteten sich auf einen „Systemsturz“ vor, indem sie paramilitärische Übungen
absolvierten. Diese umfassten Training im Häuserkampf, den Umgang mit Schusswaffen sowie
Nacht- und Gewaltmärsche. Zudem beschaffte sich die Gruppe militärische Ausrüstung wie
Tarnanzüge, Gefechtshelme und Schutzwesten.
Der Beteiligte Kurt H. ist AfD-Kommunalpolitiker, für die Partei seit 2024 Mitglied des Stadtrats
von Grimma und zudem Schatzmeister der Jungen Alternative in Sachsen sowie Vorstands-
mitglied im AfD-Kreisverband Landkreis Leipzig. Hier wird für alle offensichtlich: Der AfD ist
gelungen, was die (festgestellt verfassungswidrige) NPD lange angestrebt hat, nämlich eine
Verbindung zwischen radikalen und gewaltbereiten rechtsextremen Gruppen und einem
bürgerlich-nationalistischen Milieu herzustellen.
II. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat in einer Entscheidung vom 2. Juli 2024
bereits deutlich gemacht, dass hinreichende Anhaltspunkte für die Verfassungswidrigkeit beste-
hen. Ein Parteiverbot ist ein scharfes Schwert, ein zweischneidiges allemal. Des Öfteren wird
gegen ein Verbotsverfahren ins Feld geführt, dass ein potentielles Unterliegen vor dem Bundes-
verfassungsgericht dazu führen könne, dass die Partei „Nutzen“ daraus ziehe. Die Tatsache,
dass sich die Betroffenen stets als „Opfer“ gerieren, darf und sollte Demokraten nicht davon
abhalten, Notwendiges zur Verteidigung der Demokratie zu tun.
Dass die AfD, die im Bundestag, in fast allen Landtagen und vielfach auf kommunaler Ebene
vertreten ist und bereits Wahlergebnisse zwischen 20-50% erreicht, eine relevante politische
Größe ist, ist nicht mehr von der Hand zu weisen. Diese Partei hat hinreichend viele Mitglieder,
eine Organisationsstruktur, einen Mobilisierungsgrad, die finanziellen Mittel und die Aufmerk-
samkeit in der Öffentlichkeit, die die Durchsetzung demokratiefeindlicher Bestrebungen nicht
nur möglich erscheinen lassen, sondern tatsächlich ermöglichen. In drei Ländern gilt sie zudem
als gesichert rechtsextrem. Sie verfolgt ein rassistisch-menschenfeindliches, national-völki-
sches Programm, sie sie leugnet, verharmlost und verschweigt nationalsozialistische Verbre-
chen gegen die Menschlichkeit. Dies ist bereits in den AfD-Grundsatzpapieren für die Gesamt-
partei niedergelegt und beschränkt sich damit nicht etwa allein auf Mitglieder von Teil-
organisationen wie dem (ehemaligen) „Flügel“. Die Partei hat sich seit ihrer Gründung 2013
fortlaufend radikalisiert. Sie ist gewaltbereit und plant, wesentliche demokratische Elemente
unseres Rechtsstaates abzuschaffen und umzuformen.Den Diskurs bestimmt die Partei durch ständige Grenzverschiebungen, schon allein sichtbar in
der verwendeten Sprache, die immer deutlicher die rassistischen Kategorien und die aggressive
Grundhaltung abbildet. Sie ist schon länger bestens mit der rechten und rechtsextremen Szene
vernetzt, nicht nur in Deutschland. In der Konsequenz schafft sie das gesellschaftliche Klima
auch für einen rasanten Anstieg rechtsextremer motivierter Straf- und Gewalttaten. Die rechts-
extremistischen Straftaten haben von 2021 bis 2023 um 25 % auf inzwischen jährlich 25.000
zugenommen, die rechtsextremistischen Gewalttaten um 15 % auf inzwischen 1.150. Darin
nicht enthalten ist die kaum zu ermessende Zahl an rassistischen Beleidigungen, die nicht zur
Anzeige gebracht werden. Auch Hass und Hetze im Netz/in den sozialen Medien sind ein ernst-
zunehmendes Problem. All dies sind Angriffe auf die Würde von Menschen in Deutschland.
III. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben zwei Lehren aus dem Nationalsozialismus
gezogen, Artikel 1 Abs. 1 Satz1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und
zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ In einer weltweit einmaligen Art und
Weise haben sie Abwehrmechanismen installiert und sich damit gegen einen radikalen demo-
kratischen Relativismus entschieden. Dabei stellten sie die unabdingbaren Grundlagen der
Menschenrechte, die für den freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat konstituierend sind,
nicht nur an den Anfang des Grundgesetzes, sondern als den zentralen Kern einer freiheitlichen,
demokratischen Grundordnung in den Mittelpunkt allen Handelns. Den diversen Beschlüssen
und Papieren der AfD, ihrem Grundsatzprogramm und den Wahlprogrammen seit 2016 ist eine
politische Strategie zu entnehmen, welche auf die Beseitigung und Beeinträchtigung der in
Artikel 1 Absatz 1 GG verankerten Garantien abzielt.
Aus unserer historischen Verantwortung erwuchs Artikel 21 Absatz 2 und damit die demokrati-
sche Pflicht, dass Mandatsträger und politische Institutionen ihre Verantwortung zum Schutz
der Demokratie und der Menschen in unserem Land nachkommen: „Parteien, die nach ihren
Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demo-
kratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bun-
desrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.“
Diese Bestimmung zielt als präventives Instrument darauf ab, schon früh gegen Parteien, die
verfassungswidrige Zielsetzungen verfolgen, vorzugehen, um eben nicht erst Abwehrmaßnah-
men vornehmen zu müssen, wenn solche Parteien bereits hinreichend Wirkmacht entfalten. Wir
empfinden es vor dem Hintergrund der Geschichte der Sozialdemokratie als Auftrag und Ver-
pflichtung, sie nicht als wirkungslose Verfassungsnorm leerlaufen zu lassen, sondern diesen
Mechanismus – auch mit all seinen Risiken – zu aktivieren. Auch unser Landesvorsitzender
Georg Maier hat in diesem Sinne bereits wiederholt ein solches Vorgehen gefordert.
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